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8 Modellergebnisse

Die Rechnungen mit dem Strahlungsübertragungsmodell sollen der Entwicklung eines Verfahrens zur Bestimmung der Wolkenbasistemperatur in zwei Stufen dienen. Es werden Prozeduren benötigt, die

  1) in Satellitenbildern solche Wolken finden, für die eine Ableitung möglich ist;
  2) die Basistemperatur dieser Wolken berechnen.

Zusätzlich ermöglicht die Modellierung die Abschätzung der Fehlerquellen und damit auch eine Genauigkeitsangabe der Temperaturbestimmung.

8.1 Wolkenerkennung

Wolkenerkennungsverfahren für das AVHRR sind in der Literatur für unterschiedliche Situationen zu finden (z.B. OLESEN und GRASSL 1985, SAUNDERS und KRIEBEL 1988). Die Klassifizierung von Wolken bei polaren Kaltluftausbrüchen ist mit diesen Methoden jedoch nur bedingt möglich, da die ihnen zugrunde liegenden Schwellwerte meist an die Verhältnisse mittlerer Breiten angepaßt sind. Außerdem finden diese Kaltluftausbrüche überwiegend während des Winters statt, wenn die Sonne gar nicht oder nur sehr flach über dem Horizont steht. Die Kanäle 1 und 2 des sichtbaren Spektralbereiches, die z.B. ARKING und CHILDS (1985) verwenden, können dann nicht zur Analyse benutzt werden.
Das hier benötigte Wolkenerkennungsverfahren muß in mehreren Schritten arbeiten:
  1) Zunächst die ganz wolkenfreien Pixel für die SST-Bestimmung finden;
  2) die vollbewölkten Pixel von den teilbewölkten unterscheiden;
  3) von den vollbewölkten Pixeln jene mit semitransparenten Wolken erkennen.

Die erste grobe Einteilung in völlig wolkenfreie und "irgendwie bewölkte" Pixel kann mit den oben erwähnten Verfahren aus der Literatur nach Anpassung von Schwellwerten gut durchgeführt werden. Bei der Unterscheidung von voll- und teilbewölkten Pixeln ergeben sich aber Schwierigkeiten. Neben den schon genannten Gründen tritt hier das Problem auf, daß gerade auch solche Pixel als vollbewölkt erkannt werden sollen, wenn sie nur semitransparente Wolken enthalten. Abbildung 11 zeigt die unterschiedlichen Auswirkungen teilbewölkter und semitransparenter vollbewölkter Pixel auf die Helligkeitstemperaturen der Kanäle 4 und 5. Die Strahldichten bzw. Helligkeitstemperaturen der unbewölkten und vollbewölkten Situationen sind dafür mit dem Strahlungsübertragungsmodell berechnet worden. Die Helligkeitstemperaturen für teilbewölkte Pixel ergeben sich aus den gewichteten Strahldichten dieser beiden Fälle:

In = (1 - n) . I0 + n . IW
(21)
Hier sind:
I0: die Strahldichte ohne Wolken
IW: die Strahldichte der bewölkten Situation
In: die Strahldichte eines teilbewölkten Pixels mit dem Bedeckungsgrad n (0 < n < 1).

Abbildung 11: Vergleich der Differenzen der Helligkeitstemperaturen der Kanäle 4 und 5 für teil- und vollbewölkte Pixel. Der Kreis markiert die Koordinaten eines wolkenlosen Pixels. Die offenen Symbole geben die Werte für teilbewölkte Pixel wieder, wobei der Bedeckungsgrad in Schritten von 1/10 erhöht wird. Die optische Dicke des bewölkten Teils ist jeweils t0.55 = 10. Die geschlossenen Symbole gelten für vollbewölkte Pixel, deren optische Dicke von 1 bis 10 in Schritten von 1 variiert wird (an einigen Stellen eingetragen). Es wurde die Tropfenverteilung "C1" verwendet; die Höhe von Wolkenbasis und Oberrand sind konstant gehalten und der Flüssigwassergehalt der Wolken für vollbewölkte Pixel ist der gewünschten optischen Dicke angepaßt.


Die Abbildung 11 zeigt deutlich, daß die beiden Meßgrößen stark auf die Bewölkungsart reagieren. Die integralen Strahldichten in einem Pixel, das zum Teil unbewölkt und zum anderen Teil mit einer Wolke der Dicke t0.55 = 10 bedeckt ist, reagieren nur wenig auf die unterschiedlichen Extinktionskoeffizienten der Wolke bei Kanal 4 und 5. Dies liegt daran, daß in dem klaren Teil die hohen Strahldichten der warmen Ozeanoberfläche am Satelliten wie bei wolkenlosen Gebieten ankommen. Der bewölkte Teil mit der hier simulierten optischen Dicke t0.55 = 10 verursacht auch keine große Kanaldifferenz, da in beiden Kanälen die Emission der Wolke zu über 99 % die vom Satelliten empfangene Strahldichte bestimmt (vgl. Abb. 9). Ein Pixel, das völlig mit einer semitransparenten Wolke ausgefüllt ist, zeigt demgegenüber höhere Kanaldifferenzen. Die spektral abhängigen Extinktionsparameter lassen bei Kanal 4 noch mehr "warme" Strahlung von der Ozeanoberfläche durch als bei Kanal 5. Aus diesen Gründen wird ein Algorithmus, der auf semitransparente Wolken in vollbewölkten Pixeln eingestellt ist, falsche Ergebnisse liefern, wenn Eingangsdaten aus teilbewölkten Pixeln verwendet werden. Ein Diagramm der Art (11) kann aber nicht dazu benutzt werden, diese Trennung vorzunehmen. Auch teilbewölkte Pixel erzeugen größere Kanaldifferenzen T4 - T5, wenn die in ihnen enthaltenen Wolken geringere optische Dicken haben. Dies zeigt Abbildung 12, für die teilbewölkte Pixel mit unterschiedlichen Wolkensorten und Dicken modelliert sind. Jene Werte von T4 - T5, die größer als 1.5 K sind, werden von Wolken erzeugt, deren optische Dicke t0.55 < 5 ist. Wie der Vergleich mit Abbildung 11 zeigt, haben sie solche (T5, T4 - T5) - Paare, die dort die vollbewölkten Pixel charakterisieren. Wenn die Daten einer Satellitenszene also in ein Diagramm (11) eingetragen werden, kann aufgrund der Modellrechnungen nicht eindeutig zwischen voll- und teilbewölkten Pixeln unterschieden werden.

Abbildung 12: Wie Abbildung 11, jedoch nur für teilbewölkte Pixel mit Bedeckungsgraden zwischen 0.1 und 0.9. Simuliert sind Wolken in unterschiedlichen Höhen und mit verschiedenen Tropfengrößenverteilungen.


Die Verwendung aller drei IR-Kanäle des AVHRR/2 erlaubt dagegen eine solche Unterteilung zumindest so, daß eine Weiterverarbeitung teilbewölkter Pixel ausgeschlossen werden kann. In Abbildung 13 sind die Verhältnisse der Strahldichten der Kanäle, I3/I4 und I4/I5, gegeneinander aufgetragen. Das Kreuz kennzeichnet den Ort eines wolkenlosen Pixels. Teilbewölkte Pixel mit Wolken unterschiedlicher optischer Dicke aber geringem Bedeckungsgrad befinden sich in seiner Nähe. Mit wachsendem Bedeckungsgrad treten zwei Effekte auf: Die Pixel-Koordinaten liegen immer weiter vom Kreuz entfernt, und sie gruppieren sich entsprechend der optischen Dicke der betrachteten Wolke.
Abbildung 13: Einfluß teil- und vollbewölkter Pixel auf die Strahldichtequotienten der AVHRR-Kanäle 3, 4 und 5. Das Kreuz markiert ein wolkenloses Pixel; die SST beträgt 277 K. Bei den kleinsten Symbolen ist der Bedeckungsgrad 1/10, für vollbewölkte Pixel gelten die größten und gefüllten Symbole; der Unterschied zwischen zwei Größenklassen entspricht der Variation des Bedeckungsgrades um 1/10. Verschiedene geometrische und optische Wolkendicken sowie Temperaturschichtungen sind modelliert.

Wenn Satellitendaten in ein der Abbildung 13 entsprechendes zweidimensionales Histogramm eingetragen werden, sind die vollbewölkten Pixel also am linken Rand des Diagramms lokalisiert. Dabei ist zusätzlich eine grobe Einteilung bezüglich der optischen Dicke möglich, da sich dickere Wolken im unteren Bereich, dünnere eher weiter oben im Diagramm ansiedeln. Abbildung 13 läßt noch eine genauere Zuordnung der optischen Dicke vermuten. Das ist aber nicht möglich, da die mikrophysikalischen Parameter der betrachteten Wolken eine entscheidende Rolle spielen. Testrechnungen mit unterschiedlichen Tropfenverteilungen und Flüssigwassergehalten führen dazu, daß optisch dickere und dünnere Wolken teilweise die gleichen Orte im Diagramm belegen und damit eine saubere Trennung verhindern. Prinzipiell verändert sich das Bild aber nicht, so daß am linken Rand auch bei unbekannten Tropfenparametern mit Sicherheit vollbewölkte Pixel zu lokalisieren sind. Ein Nachteil dieser Methode liegt allerdings darin, daß mit der Beschränkung auf den linken Rand des Diagramms diejenigen vollbewölkten Pixel aussortiert werden, die weiter in der Mitte liegen. Entscheidend ist aber, daß jene Pixel, die diesen Test bestehen, mit Sicherheit als vollbewölkt einzustufen sind. Ein Vorteil gegenüber anderen Verfahren wie der Kohärenzmethode liegt darin, daß auch einzelne vollbewölkte Pixel in einer teilbewölkten oder klaren Umgebung richtig erkannt werden können.
Als letztes müssen die vollbewölkten Pixel daraufhin untersucht werden, ob die beobachteten Wolken semitransparent sind. Wie bereits in Kapitel 5.4 erklärt, sind damit solche Wolken gemeint, die mindestens in einem Kanal noch meßbar Strahlung der Meeresoberfläche zum Satelliten durchlassen. Mit Hilfe von interaktiv festzulegenden Schwellwerten ist diese Einteilung bei der Auswertung von Satellitenbildern möglich. Dazu wird eine genügend große Anzahl von vollbewölkten Pixeln gewählt, deren Helligkeitstemperatur im Kanal 5 auffallend tief ist. Damit selektiert man hochreichende (kalte) und damit auch optisch dicke Bewölkung, die nicht semitransparent ist. Die zugehörigen Kanaldifferenzen T3 - T4 und T4 - T5 dienen dann als Schwellwerte: Solche Pixel, in denen die Differenzen größer als diese Schwellwerte sind, müssen semitransparente Wolken enthalten (vgl. Abb. 9).
Mit den in diesem Kapitel beschriebenen Verfahren sind solche Pixel auswählbar, für die die Wolkenbasistemperatur abgeleitet werden kann. Von der folgenden näheren Untersuchung der Pixel werden aber Regionen mit schichtförmiger Bewölkung (Frontalzonen u.ä.) von vornherein ausgeschlossen. Solche Strukturen sind auf Satellitenbildern meist sehr leicht zu erkennen und dürfen nicht in die weitere Bearbeitung aufgenommen werden, weil in dieser Arbeit nur einzelne Grenzschichtwolken modelliert wurden. An Frontalzonen treten aber häufig Wolken gleichzeitig in unterschiedlichen Schichten auf und modifizieren so das Strahlungsfeld in einer anderen Weise.

8.2 Ableitung der Wolkenbasistemperatur

Die Temperatur an der Wolkenbasis kann vom Satelliten aus nicht direkt gemessen werden wie beispielsweise die Wasseroberflächentemperatur in wolkenlosen Gebieten oder die Temperatur des oberen Teils dicker Wolken. Die von den Wolkenbasisschichten emittierte Strahlung wird von den darüber liegenden Wolkenteilen durch Extinktion und Emission modifiziert. In diesem Abschnitt muß daher zunächst gezeigt werden, daß in den vom AVHRR empfangenen Strahldichten Informationen über die Temperatur der Wolkenbasis enthalten sind. Für dicke Wolken kann die Temperatur des oberen Bereiches leicht aus AVHRR-Messungen bestimmt werden, da dicke Wolken im IR-Bereich nahezu "schwarz" sind. Deswegen entspricht ihre Strahlungstemperatur fast der thermodynamischen Temperatur. Wegen der geringen Wasserdampfmenge oberhalb dieser Wolken ist die Helligkeitstemperatur des Kanals 5 allein schon eine sehr gute Schätzung für die Temperatur der oberen Meter dicker Wolken.
In konvektiven Situationen sind Grenzschichtwolken in allen Entwicklungsstadien zu finden. Abbildung 14 zeigt, wie die Helligkeitstemperatur des Kanals 5 von der Wolkendicke abhängt (vgl. auch Abb. 7). Solange diese groß genug ist, um die Ozeanstrahlung vollständig zu extingieren, nimmt T5 umgekehrt proportional zur optischen Dicke zu. Bei gleichem Wolkenbasisniveau und Tropfenverteilungen sind optische und geometrische Dicke linear voneinander abhängig. Eine größere vertikale Erstreckung hat dann aber eine niedrigerere Temperatur an der Wolkenobergrenze zur Folge und somit eine geringere Abstrahlung der Wolke nach oben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das hier verwendete Temperaturprofil einer gut durchmischten Grenzschicht nicht den feuchtadiabatischen Temperaturgradienten wiedergibt wie es bei der Modellierung von Wolken realistisch wäre. Dessen Abweichungen vom linearen Verlauf des trockenadiabatischen Gradienten ist auf den hier untersuchten kurzen Strecken in kalten Atmosphären aber nur gering. Die Abbildung 14 zeigt in den gestrichelten Linien aber auch, daß in solchen gut durchmischten Grenzschichten für dicke Wolken die Temperatur der Wolkenbasis prinzipiell aus den T5-Werten an der Obergrenze abgeleitet werden kann:
Abbildung 14: Abhängigkeit der Helligkeitstemperatur des Kanals 5 von der optischen Dicke t0.55 der Wolken. Es sind die Daten für zwei Wolkensorten aufgetragen: eine hat ihre Basis im Temperaturniveau T = 256.8 K und einen spektralen Extinktionskoeffizienten b0.55 = 20 km-1; für die andere gilt T B = 249.6 K und b0.55 = 50 km-1. Die gestrichelten Linien sind lineare Extrapolationen der drei Punkte mit den jeweils größten optischen Dicken. Die Wasseroberflächentemperatur ist für beide Fälle 0o C.


Diese gestrichelten Linien zeigen den Verlauf unter der Annahme, daß die Wolke auch bei geringer optischer Dicke "schwarz" bleibt und keine Strahlung vom Ozean transmittiert wird. Dann ist ihre Helligkeitstemperatur gleich der thermodynamischen Temperatur des oberen Wolkenrandes, auch wenn die vertikale Erstreckung der Wolke gegen Null geht. Damit entspricht die Helligkeitstemperatur auch gleichzeitig der Wolkenbasistemperatur. Dieses sehr einfache Verfahren benötigt aber eine sehr gute Schätzung der geometrischen oder optischen Dicke gerade für solche Wolken, bei denen die gesamte am Satelliten ankommende Strahlung in allen Kanälen nur aus dem oberen Teil stammt (linearer Teil der durchgezogenen Kurven in Abb. 14). Da solche Schätzungen aus AVHRR-Daten z.Z. noch nicht genau genug sind, kann die Wolkenbasistemperatur auf diese Weise, d.h. nur mit Kanal 5, nicht bestimmt werden.
Die zusätzliche Verwendung der beiden anderen IR-Kanäle erhöht den Informationsgehalt über die Wolkenbasistemperatur. In Abbildung 15 zeigt sich, daß für semitransparente Wolken diese Temperatur relativ einfach abgeschätzt werden kann. Für die Abbildung wurden Wolken unterschiedlicher Dicke modelliert. Bei festgehaltenem Basisniveau (d.h. auch konstanter Basistemperatur) wird die vertikale Erstreckung der Wolke variiert. Sehr flache und damit auch optisch dünne Wolken zeigen hohe Helligkeitstemperaturen im Kanal 5 und nahezu keine Differenz zwischen den Kanälen 3 und 4. Mit zunehmender Dicke wird die Strahlung des Ozeans stärker absorbiert und die Wolke emittiert mit ihrer eigenen geringeren Temperatur. Dadurch nimmt die Helligkeitstemperatur bei allen Kanälen ab, die Differenz T34  =_ T3 - T4 steigt aber wegen der wellenlängenabhängigen Transmissionseigenschaften der Wolke an. Für Wolken mit noch höheren optischen Dicken fällt diese Differenz wieder ab, da dann die Helligkeitstemperatur in allen Kanälen fast ausschließlich von der Temperatur der oberen Wolkenteile bestimmt wird. Wie Abbildung 15 zeigt, sind die Maxima der Differenz T34 aller Wolkentypen deutlich ausgeprägt. Es ist ferner zu erkennen, daß T5 jeweils bei diesen Maxima einen Wert hat, der dicht bei der Wolkenbasistemperatur liegt. Dabei stimmen die Wolkentypen mit geringem Flüssigwassergehalt, d.h. hier b0.55 = 5 km-1, sehr gut überein, während jene Wolken mit höheren Extinktionskoeffizienten ein T5 um ca. 3 K über der Wolkenbasistemperatur anzeigen. Die in Abbildung 15 eingezeichneten Linien gleicher optischer Dicke (t0.55 = const.) der gesamten Wolke zeigen, daß die maximalen Differenzen T34 jeweils im Bereich 2 < t0,55 < 4 auftreten. Der Hauptteil (~80%) der Strahldichten oberhalb solcher Wolken wird im Spektralbereich des Kanals 5 bereits durch Emission der verschieden warmen Wolkenteile bestimmt und nur ca. 20% der vom Ozean emittierten Strahlung werden transmittiert. Die Helligkeitstemperatur des Kanals 5 ist darum nur etwas höher als die Temperatur der kalten Wolkenspitze. Wegen der geringen Temperaturdifferenzen (TB - TSpitze) dieser nur wenige 100 m mächtigen Wolken liegt T5 aber nahe bei der Basistemperatur.

Abbildung 15: Helligkeitstemperaturen des Kanals 5 als Funktion von T34 für Wolken mit einer Basistemperatur von 256.8 K bzw. 249.6 K. Die Wolkenbasis wird auf den entsprechenden Niveaus festgehalten und die vertikale Erstreckung der Wolken variiert. Sehr flache Wolken haben hohe T5 - Werte, die mit zunehmender geometrischer und optischer Dicke abnehmen. Dargestellt sind Ergebnisse für drei bezüglich des Flüssigwassergehaltes unterschiedliche Wolkentypen, hier durch ihren spektralen Extinktionskoeffizienten b0.55 parametrisiert. Zusätzlich sind Linien gleicher gesamter optischer Dicke für die Werte t0.55 = 2, 3 und 4 eingezeichnet. Berechnungsgrundlage ist das Atmosphärenprofil "Schleswig" und SST = 0o C.


Bei der Analyse des gesamten Datensatzes stellt sich heraus, daß die genaue Lage des Maximums von T34 für jeden Wolkentyp auch von der Wasseroberflächentemperatur abhängt. Wie die Abbildung 15 zeigt, sorgen unterschiedliche Extinktionskoeffizienten für eine Verschiebung der Lage des Maximums von T34 auf der T5-Achse um ca. 3 K. Unter der Voraussetzung eines unbekannten Extinktionskoeffizienten ist aber eine Zuordnung Maximum(T 34) ==> T 5 ==> T B mit Abbildung 15 sehr unsicher. So wird auch in Kapitel 9 gezeigt, daß ein aus Satellitendaten gewonnenes Diagramm dieser Art wegen der unbekannten und variierenden mikrophysikalischen Parameter der betrachteten Wolken nur einen ersten Schätzwert für die Wolkenbasistemperatur TB liefern kann.
Die bisherigen Abschnitte dieses Kapitels lassen erkennen, daß durch zweidimensionale Darstellungen der Modellergebnisse keine ausreichend genaue Methode zur Abschätzung der Wolkenbasistemperatur gefunden werden kann. Es ist aber deutlich geworden, daß in den Strahldichten bzw. Helligkeitstemperaturen die Information über TB verborgen ist.
8.2.1 Verfahren für Nachtüberläufe
Die Simulationen der Strahlungsübertragung erfolgte ohne Berücksichtigung der Sonneneinstrahlung. Die für den Kanal 3 errechneten Helligkeitstemperaturen dürfen deswegen nur unter der Bedingung benutzt werden, daß ein abgeleiteter Algorithmus ausschließlich auf Satellitendaten von Nachtüberläufen angewendet wird. Mit Hilfe der in Kapitel 6 vorgestellten multiplen linearen Regression ist es möglich, den Informationsgehalt verschiedener Kanäle gleichzeitig (mehrdimensional) auszunutzen. Darum wird im folgenden die Beziehung zwischen den Strahldichten und der Wolkenbasistemperatur auf statistischem Wege untersucht. Die bisherigen Ergebnisse (Abb. 13 und 15) legen es nahe, zunächst die optische Dicke einer Wolke abzuschätzen, um dann für Klassen verschiedener Dicken die Basistemperatur separat zu bestimmen.
8.2.1.1 Regression der optischen Dicke

Vor den statistischen Untersuchungen der Ergebnisse der Strahlungsübertragungsrechnungen muß wie in Kapitel 7 das Radiometerrauschen berücksichtigt werden. Die Helligkeitstemperaturwerte der Kanäle 4 und 5 werden deswegen durch zufällige Fehler mit dem Mittelwert 0 K und der Standardabweichung 0.12 K "verrauscht". Für den Kanal 3 gilt der Literaturwert von 0.12 K (KIDWELL, 1988) wegen der im Kapitel 2 beschriebenen Störungen nicht. DUDHIA (1989) hat die Daten des Kanals 3 von verschiedenen NOAA-Satelliten untersucht und findet eine große Variabilität der Störstärke. Aus den dort vorgestellten Werten erscheint die Wahl einer Standardabweichung 0.5 K und eines Mittelwertes 0 K vernünftig. Für den so veränderten Datensatz wird der Zusammenhang von optischer Dicke und den Strahldichten in den Kanälen 3, 4 und 5 bzw. den zugehörigen Helligkeitstemperaturen mit Regressionsrechnungen untersucht. Es zeigt sich, daß die Variation der optischen Dicke am ehesten durch den Quotienten der Strahldichten von Kanal 3 und 5 erklärt werden kann. Eine weitere Verbesserung ergibt sich bei Aufnahme der Helligkeitstemperaturdifferenz dieser beiden Kanäle in die Regressionsgleichung. Obwohl die beiden Regressoren I35  =_ I3/I5 und T35  =_ T3 - T5 natürlich aneinander gekoppelt sind, dürfen sie gemeinsam in einem linearen Ansatz benutzt werden, weil die strenge Nichtlinearität der PLANCK-Funktion (3) (I3  oc T313) das Auftreten von Multikollinearität verhindert. So liegt der Korrelationskoeffizient K(I35, T35) zwischen 0.5 und 0.7 . Dagegen kann kein weiterer Parameter in die Regressionsgleichung aufgenommen werden, obwohl beispielsweise die Aufnahme von I4 den Anteil der erklärten Streuung deutlich verbessert. Die in Kapitel 6 beschriebenen Prüfungen auf Multikollinearität werden aber alle nicht bestanden, da I4 und I35 stark korreliert sind (K(I4, I35)  ~~ 0.89). Ähnliches gilt für alle anderen Parameter. Das Auftreten von Multikollinearität ist für lineare Regressionsgleichungen zwar nicht verboten, es besteht aber dabei die Gefahr, daß die abgeleiteten Koeffizienten nur für den untersuchten Datensatz gelten und nicht auf die Grundgesamtheit verallgemeinert werden können. Da der hier untersuchte Datensatz aber nur einen sehr kleinen Teil der natürlichen Variabilität wiedergibt, sollen nur Parameter verwendet werden, für die kein Verdacht auf Multikollinearität besteht. Darum lautet die Regressionsgleichung für die optische Dicke semitransparenter Wolken:
                   I3-
t0.55 =  a0  +  a1 . I5 +  a2 . (T3 - T5)
(22)

Die Koeffizienten ai für verschiedene Oberflächentemperaturen findet man im Anhang (Tabelle 5). Abbildung 16 macht deutlich, daß die einzelnen Parameterwerte für Oberflächentemperaturen, die zwischen denen des Datensatzes liegen, durch lineare Interpolation bestimmt werden dürfen. Für den Fall, daß die aktuelle SST außerhalb dieses Bereiches liegt, wird linear extrapoliert.
Abbildung 16: Abhängigkeit der Regressionsparameter für Gleichung (22) von der Wasseroberflächentemperatur (durchgezogene Linien). Die SST-Stützstellen sind durch "*" markiert. Die 99 % - Konfidenzintervalle sind gestrichelt eingetragen. Aus Übersichtsgründen sind nicht die Parameterwerte selbst, sondern die auf 1 (a2), bzw. 2 (a1) und 3 (a0) normierten Werte dargestellt.
Die Genauigkeit der Regressionsgleichung (22) ist ebenfalls von der SST abhängig. Der Standardfehler der Schätzung liegt zwischen Dt0.55 = 1.8 für SST = 273.15 K und Dt0.55 = 1.3 für SST = 285 K. Die Abbildung 17 zeigt, daß die Fehler zudem für unterschiedliche Bereiche optischer Dicken verschieden sind. Für geringes t0.55 kann man keinen systematischen Fehler erkennen. Bei 3 < t0.55  < 6 ist die aus Gleichung (22) bestimmte optische Dicke eher größer als die vorgegebene, während sie für t0.55 > 10 eher kleiner ist.
Abbildung 17: Fehler der über Regressionsgleichung (22) abgeleiteten optischen Dicke für den untersuchten Datensatz. Als t0.55 wird die vorgegebene optische Dicke bei 0.55mm bezeichnet; mit tRegression jene, die mit Gleichung (22) und den Koeffizienten aus Tabelle 5 (Anhang) aus den Kanalinformationen des AVHRR berechnet wurde.
Die Regressionsgleichungen zur Bestimmung der Wolkenbasistemperatur werden deswegen für vier Klassen optischer Dicke erstellt: t0.55 < 3;   3 < t0.55 < 6;  6 < t0.55 <  10 und 10 < t0.55 < 16. Im Vergleich mit dem Standardfehler der Schätzung gewährleisten diese Klassengrößen, daß eine Wolke, deren Dicke in der Mitte einer Klasse liegt, mit einer Wahrscheinlichkeit > 66 % der richtigen Klasse zugeordnet wird. Wie aus Abbildung 17 zu entnehmen ist, kann die Anwendung der Gleichung (22) auf Satellitendaten für dünne Wolken optische Dicken t0.55 < 0 ergeben. Solche Pixel werden dann von der weiteren Untersuchung ausgeschlossen. Die Abbildung 17 zeigt auch, daß für den Regressionsansatz (22) kein Verdacht auf Heteroskedastizität besteht. Es ist zwar der mittlere Fehler für unterschiedliches t0.55 verschieden, nicht aber die Varianz der Restschwankungen. Dagegen ist der Verdacht auf Autokorrelation der Restschwankungen nicht ganz eindeutig zu widerlegen: Der Eingabedatensatz für die Strahlungsübertragungsrechnungen ist in Gruppen gleicher Parameter (Flüssigwassergehalt, Tropfenverteilungen) eingeteilt. Dadurch sind auch die zur Regressionsanalyse benutzten Datensätze teilweise nach der optischen Dicke sortiert, so daß der Durbin/Watson - Test eine positive Autokorrelation der Residuen ausweist. Für die Sortierung des Datensatzes besteht aber keine Notwendigkeit; für durchmischte Datensätze zeigt der Durbin/Watson - Test keine Autokorrelation an. Zudem gibt es keinen physikalischen Hintergrund für die Annahme von Autokorrelation der Restschwankungen. Die Regressionsgleichung (22) kann also vom statistischen Standpunkt aus als repräsentativ für die Grundgesamtheit angesehen werden.
8.2.1.2 Regression der Wolkenbasistemperatur

Die Ergebnisse der Strahldichtesimulationen über semitransparenten Wolken hängen stark von der Temperatur der Ozeanoberfläche ab. Die Regressionsanalyse zur Bestimmung von TB wird deswegen zunächst für die vier vorgegebenen SST - Werte (vgl. Kap. 5.4) getrennt durchgeführt. Es zeigt sich aber, daß für alle diese Klassen die gleichen Kanalinformationen den jeweils höchsten Erklärungswert haben. Für die verschiedenen Klassen optischer Dicke ergeben sich dagegen erwartungsgemäß unterschiedliche Regressionsansätze:
     t0.55 < 3 :   TB  = b0 + b1 . (T3 - T5) + b2 . T3 + b3 . (T4- T5)   (23)
                                                        I3
 3 < t0.55 < 6 :   TB  = c0 + c1 . T5 + c2 . (T4 - T5) + c3 .             (24)
                                                        I5
6 < t0.55 < 10 :   TB  = d0 + d1 . T5                                    (25)

    t0.55 > 10 :   TB  = e0 + e1 . T5                                    (26)
Die Reihenfolge der Parameter ist dabei so gewählt, daß jene mit dem höchsten Erklärungswert dem Koeffizienten mit dem Index "1" zugeordnet werden. Die temperaturabhängigen Werte der Koeffizienten bi bis ei sind in Tabelle 6 im Anhang aufgeführt. Die Gleichungen (23) und (24) werden später für die Auswertung von Satellitendaten durch Ausmultiplizieren noch etwas vereinfacht. In der oben dargestellten Form zeigen sie aber die Zusammenhänge zwischen Wolkenbasistemperatur und Kanalinformationen: Für die stark semitransparenten Wolken mit t0.55 < 6 liefert ein Kanal eine Temperaturschätzung und der Unterschied der Kanäle Zusatzinformationen über Dicke und optische Eigenschaften der Wolke. Für t0.55 > 6 enthalten die Kanalunterschiede keine statistisch signifikanten Zusatzinformationen. Die Basistemperatur kann hier allein aus der Helligkeitstemperatur von Kanal 5 abgeschätzt werden, da die optische und damit auch geometrische Dicke durch die Klasseneinteilung in etwa bekannt sind. Erwartungsgemäß ist der Standardfehler für die Klasse t0.55 > 10 höher als für die anderen, da die größere optische Dicke die Wärmestrahlung der Wolkenbasis mehr schwächt und die größere vertikale Erstreckung eine höhere Temperaturdifferenz zwischen Wolkenspitze und Basis bedingt.
Die Parameter der Gleichungen (23) bis (26) sind, genau wie die für die Bestimmung der optischen Dicke, durch eine stufenweise Regressionsanalyse entstanden. Auch die statistischen Testverfahren entsprechen den bei Gleichung 22 benutzten. Da alle Tests bestanden werden, kann eine Angabe der einzelnen Prüfwerte unterbleiben. Die Standardfehler der Regressionsgleichungen (23) bis (26) sind erst in Tabelle 6 im Anhang vermerkt, da sie über die Güte des gesamten Verfahrens nur wenig aussagen. Hierfür muß zusätzlich der Fehler in der Ableitung der optischen Dicke berücksichtigt werden, weil dieser zu einer falschen Klassenzuordnung führen kann. Zur Bestimmung des Gesamtfehlers werden zunächst wieder die errechneten Helligkeitstemperaturen der AVHRR-Kanäle sowie die Wasseroberflächentemperatur zufälligen Schwankungen unterworfen, um die Unsicherheit in der Datenerfassung zu simulieren. Die Standardabweichungen der Zusatzfehler beträgt 0.12 K für T4 und T5 sowie 0.5 K für T3 und die SST. Der Fehlermittelwert ist jeweils 0 K. Aus den so veränderten Daten wird zunächst über die Gleichung (22) die optische Dicke geschätzt und dann mit Hilfe einer der Gleichungen (23) bis (26) die Wolkenbasistemperatur bestimmt. Diese wird mit den vorgegebenen Werten verglichen. Danach beträgt der Standardfehler für den gesamten Datensatz 1.8 K. Wie Tabelle 8 zeigt, ist die Übereinstimmung für die Klasse t0.55 < 3 am schlechtesten.





Anzahl der
Anzahl der
RMS [K]
RMS [K]
t0.55
Mittelungen
Mittelwerte
mit Rauschen
ohne Rauschen





0 - 20
1
1196
1.8
1.2
0 - 3
1
504
2.4
1.4
3 - 6
1
240
0.6
0.5
6 - 10
1
168
0.8
0.8
> 10
1
284
1.4
1.4





0 - 20
5
1004
0.9
0.6
0 - 3
5
328
1.5
0.8
3 - 6
5
76
0.3
0.2
6 - 10
5
24
0.6
0.5
> 10
5
108
0.5
0.5





0 - 20
10
784
0.7
0.5
0 - 3
10
148
1.3
0.7
3 - 6
10
0
--
--
6 - 10
10
0
--
--
> 10
10
8
0.1
0.1





 
Tabelle 8: Standardfehler (RMS  =_ root mean square error) in der Ableitung der Wolkenbasistemperatur. Die vorgegebene Temperatur wird mit der verglichen, die sich durch Anwendung der Gleichungen (22) und (23 - 26) auf die simulierten Helligkeitstemperaturen ergibt. Die Ergebnisse sind jeweils auf Klassen der vorgegebenen (wahren) optischen Dicke t0.55 bezogen. Für die Spalte "mit Rauschen" wurden die simulierten Helligkeitstemperaturen und die Wasseroberflächentemperatur zufällig variiert. Ein "--" in der Spalte RMS ist angegeben, wenn in einer Klasse keine 10 Simulationen mit jeweils gleicher SST und gleichem TB vorlagen.

Das liegt zum Teil daran, daß der stärker gestörte Kanal 3 zur Bestimmung der Wolkenbasistemperatur für diese Klasse besonders gewichtet wird (Gleichung 23). Wie man aus Abbildung 18 entnehmen kann, erzeugt diese Klasse für kältere Wolken höhere Fehler als für wärmere. Wenn die Temperatur der Wolkenbasis sehr viel geringer ist als die Wasseroberflächentemperatur, so wird T35 für dünne Wolken groß. Dadurch bewirken auch relativ kleine Fehler in T3 und T5 größere Unsicherheiten. Über Gleichung (22) werden kalte Wolken dann leichter einer falschen Klasse optischer Dicke zugeteilt. Aber auch bei richtiger Einteilung ist die über Gleichung (23) berechnete Temperatur wegen der starken Wichtung von T35 unsicher.

Abbildung 18: Abhängigkeit des Standardfehlers (RMS) in der Bestimmung der Wolkenbasistemperatur TB von vorgegebenen TB-Werten. Für die Kurven wurden alle Werte benutzt, bei denen die über Gleichung (22) geschätzte optische Dicke die angegebenen Bedingungen erfüllen (t0.55 > 0 bzw. t0.55 > 3). Die waagerechten Linien zeigen die Standardfehler des gesamten Algorithmus für alle simulierten TB, wobei die bei der Modellierung vorgegebene minimale optische Dicke als Kurvenparameter benutzt wird. Die Linie "N=10" gibt den Fehler an, wenn die Mittelwerte aus jeweils 10 TB-Ableitungen verwendet werden.

In Abbildung 18 ist zusätzlich durch "t > 3" gekennzeichnet, wie sich der Standardfehler verhält, wenn man die Klasse t0.55 < 3 nicht benutzt. Wegen der unterschiedlichen Anzahl der zur Fehlerbestimmung benutzten Daten soll das "Gezappel" der Kurven unberücksichtigt bleiben. Es ist aber eine generelle Verschlechterung des Verfahrens mit zunehmender Wolkenbasistemperatur zu erkennen. Eine genauere Analyse zeigt, daß dieser Trend hauptsächlich durch sehr dünne Woken verursacht wird, die fälschlicherweise in die Klasse "3 < t0.55 < 6" eingruppiert sind. Die negativen Koeffizienten a1 und a2 in Gleichung (22) führen für wärmere Wolken, bei denen T35 und I35 größer sind als bei kälteren, leichter zu einer Überschätzung der optischen Dicke. Weil die optisch dünnen Wolken auch geometrisch eher dünn sind, wird T5 höher sein als der typische Werte dieser an dickere Wolken angepaßten Klasse und über Gleichung (24) zu einer Überschätzung der Wolkenbasistemperatur führen. Die Klasse "3 < t0.55 < 6" wird in der Anwendung darum schlechtere Ergebnisse liefern als die Angaben in Tabelle 8 erwarten lassen, weil für die Tabelle die vorgegebene optische Dicke t0.55 zur Einteilung verwendet wurde und nicht die aus Gleichung (22) abgeleitete. Dagegen sollten dünne Wolken mit t0.55 < 3 etwas bessere Ergebnisse als in der Tabelle 8 angegeben erzielen. Die Schätzung der optischen Dicke führt teilweise zu einer falschen Klasseneinteilung, wodurch auch mittlere Fehler in der Ableitung von TB entstehen. Diese Werte werden aber in Tabelle 8 nicht angegeben, weil sie für alle Fälle betragsmäßig unter 0.2 K liegen.
Die Auswertung der Satellitendaten wird unter der Annahme geschehen, daß in einer gewissen Umgebung sowohl die Wasseroberflächentemperatur als auch die Wolkenbasistemperatur in etwa konstant sind. Eine Abschätzung darüber, wie sich der zu erwartende Fehler bei Mittelung über mehrere Pixel verhält, kann man den Zeilen der Tabelle 8 entnehmen, bei denen N  =_  "Anzahl der Mittelungen" größer als 1 ist. Dafür wurden jeweils N abgeleitete Wolkenbasistemperaturen gemittelt, bei denen die vorgegebenen Werte der SST und der TB in etwa gleich waren, und der Standardfehler zwischen diesen Mittelwerten und den vorgegebenen TB-Werten bestimmt. Wegen des begrenzten Umfanges des Datensatzes wurden die Eingabedaten in verschiedenen Kombinationen benutzt, so daß die einzelnen Mittelwerte nicht voneinander unabhängig sind und die angegebenen Standardfehler Schwankungen unterliegen. Sie dürfen also nur als grobe Schätzung verstanden werden. Deswegen ist eine Angabe von RMS genauer als auf 0.1 K nicht sinnvoll, was aber dazu führt, daß die generelle Verschlechterung bei Berücksichtigung des Radiometerrauschens in einigen Fällen nicht mehr aus den angegebenen Werten zu erkennen ist. Aus Tabelle 8 wird aber klar, daß schon Mittelungen über wenige Pixel eine deutliche Senkung des zu erwartenden Fehlers herbeiführen.
8.2.2 Verfahren für Tagüberläufe
In Kapitel 2 wurde gezeigt, daß der Kanal 3 am Tage ein Mischsignal aus thermischer Emission und zurückgestreuter Sonnenstrahlung empfängt, wobei letztere meist überwiegt. Dagegen bleiben die Kanäle 4 und 5 nahezu unbeeinflußt, so daß deren simulierte Helligkeitstemperaturen auch mit Tagszenen verglichen werden können. Die Analyse des Datensatzes für die vorhergehenden Abschnitte zeigte, daß mit den Kanälen 4 und 5 allein keine linearen Regressionsgleichungen gefunden werden, die die Wolkenbasistemperatur genau genug wiedergeben können. Für die Anwendung am Tage ist deswegen ein anderes Vorgehen erforderlich. Das Ziel der folgenden Überlegungen ist, für die beiden unabhängigen Strahldichten der Kanäle 4 und 5 zwei Gleichungen zu finden, in denen nur die optische Dicke t0.55 einer Wolke und deren Temperatur T als Unbekannte stehen. Ausgangspunkt ist die Strahlungsübertragungsgleichung (11). Zunächst wird angenommen, daß alle auftretenden Streuprozesse in die Vorwärtsrichtung erfolgen. Dieser Ansatz, die Streufunktion Pn(h) durch eine Deltafunktion zu ersetzen, ist für die Mie-Streuung an Wolkentröpfchen eine brauchbare Näherung. Bei Unterdrückung des spektralen Index n läßt sich Gleichung (11) dann schreiben:
dI-  =  - I +  w0 . I + (1 - w0) . B(T)                    (27)
dt
     =  (1 - w0) . (B(T) - I)                               (28)
Spaltet man die optische Dicke t in ihren Absorptions- und Streuanteil (t = ta + ts), so ist ihr Differential darstellbar durch:
        dt
dt =  -----a--
      (1 - w0)
(29)
Einsetzen in Gleichung (28) führt auf
-dI-
dta = B(T)  - I
(30)
mit der Lösung
I = I . e-ta + (1 - e-ta) . B(T)
     0
(31)
Dabei ist I0 die Strahldichte vor Eintritt in das Medium mit der Dicke ta. Ersetzt man wiederum ta durch (1 - w0)t und löst nach t auf, so erhält man
    ---1---    I---B(T)--
t = w  -  1 . ln I - B(T)
      0         0
(32)
Die Wiedereinführung der spektralen Indizes 4 und 5 sowie von vn = ttn0.55- liefert
     1           I4 - B4(T)          1          I5 - B5(T)
------------. ln------------=  ------------. ln------------
v4(w0,4-  1)    I0,4-  B4(T)    v5(w0,5- 1)     I0,5- B5(T)
(33)

und schließlich
  I - B  (T)  v5(w0,5-1)   I -  B (T)
(--4----4----)v4(w0,4-1)-  -5----5-----= 0
 I0,4 - B4(T)             I0,5- B5(T)
(34)

I4 und I5 stehen für die am Satelliten ankommende und I0,4 und I0,5 sind die vom Wasser mit bekannter SST emittierten Strahldichten. Für v4, v5, sowie w0,4, w0,5 lassen sich aus Abbildung 6 mittlere Werte entnehmen: v4 = 0.8; v5 = 0.85; w0,4 = 0.5 und w0,5 = 0.35. Mit einem iterativen Näherungsverfahren kann Gleichung (34) für die Temperatur T gelöst werden. Diese Temperatur sollte zwischen der Wolkenbasistemperatur und der des oberen Wolkenrandes liegen, weil sie gemäß Gleichung (27) die Helligkeitstemperatur der gesamten Wolke angibt. Für optisch dünne Wolken wird sie deswegen der Mitteltemperatur nahe sein, für optisch dickere dagegen der Temperatur am Oberrand. Dies spiegelt sich auch bei der Anwendung des Verfahrens auf den Datensatz wieder. Die Abweichungen zwischen der vorgegebenen Basistemperatur und der iterativ bestimmten Temperatur T betragen für dicke Wolken bis zu 10 K. Aber auch bei Beschränkung auf Wolken mit einem geschätzten t0.55 < 4, welches sich über Gleichung (32) ergibt, beträgt die mittlere quadratische Abweichung (Titer - TB) noch 3.8 K. Eine wesentlich höhere Genauigkeit ist wegen der Vereinfachungen in der Ableitung des Verfahrens aber insbesondere auch wegen des notwendigen Verzichts auf Kanal 3 nicht zu erreichen. Dafür sind die Unterschiede in den Extinktionsparametern zwischen den Kanälen 4 und 5 zu gering und die Anzahl variabler Parameter (Tropfengröße usw.) zu groß. So muß bei der Anwendung dieser Methode über möglichst viele Pixel gemittelt werden. Eine Mittelung über 5 abgeleitete Temperaturen läßt den zu erwartenden Fehler für dünne Wolken auf unter 2 K sinken. Eine abschließende Beurteilung muß nach der Anwendung des Verfahrens auf Satellitendaten geschehen, da die im Abschnitt 8.1 vorgestellte Methode zur Vermeidung teilbewölkter Pixel bei Tagüberflügen nicht angewendet werden kann und somit nur die Verfahren aus der Literatur zur Verfügung stehen.

8.3 Auswirkungen von Fehlerquellen

Der Einfluß des Radiometerrauschens und der nur näherungsweise bekannten Temperatur der Meeeresoberfläche sind bereits behandelt worden. Die Auswirkungen der mikrophysikalischen Wolkenparameter Tröpfchenverteilung und des damit verbundenen Flüssigwassergehalts sind erst besser zu beurteilen, wenn Messungen aus konvektiven polaren Grenzschichtwolken vorliegen. Solange können nur durch die in Kapitel 4 beschriebene Berücksichtigung extremer Verteilungen die unterschiedlichsten Fälle simuliert werden und durch deren Abweichungen der Unsicherheitsbereich abgeschätzt werden.
Alle in dieser Arbeit abgeleiteten Extinktionsparameter gelten für Tröpfchen aus flüssigem Wasser. In polaren Grenzschichtwolken mit Temperaturen teilweise unter -20oC muß aber auch mit vereisten Wolkenkappen gerechnet werden. Die Extinktionsparameter ändern sich dann einerseits wegen des unterschiedlichen Brechungsindex von Eis gegenüber Wasser und andererseits wegen der Unterschiedlichkeit der Größenverteilungen von Eiskristallen und flüssigen Wassertröpfchen. Es wurden deswegen einige Strahlungsübertragungsrechnungen mit Eiswolken unterschiedlicher optischer Dicke durchgeführt, wobei die Partikelverteilungen "C5" und eine von HEYMSFIELD (1975) in Cirren gemessene Kristallgrößenverteilung zugrunde lagen. Es zeigen sich für sonst gleiche Bedingungen gegenüber den Rechnungen mit Wasserwolken in allen Kanälen leichte Änderungen der Helligkeitstemperaturen. Die zugehörigen Strahldichtequotienten I3/I4 und I4/I5 ordnen sich im Diagramm (13) aber vorwiegend in dem Bereich an, der bei Wasserwolken durch teilbewölkte Pixel belegt wird. Dadurch werden bei der Untersuchung von Satellitendaten die Messungen über vereisten Wolken wohl als teilbewölkt aussortiert. Auch für dieses Problem hängt die Erstellung eines besseren Erkennungsverfahrens von der Kenntnis realer Eiskristallverteilungen in polaren Grenzschichtwolken ab.
Die Simulation der Strahldichtemessungen gilt nur für planparallele Modellwolken. Es ist zwar der Einfluß des Blickwinkels für turmförmige Wolken bereits in Abschnitt 4.4 abgeschätzt worden, nicht aber die Auswirkung strukturierter Wolkenkappen auf die Strahldichten. Bei den Voruntersuchungen hat sich gezeigt, daß die Strahldichtequotienten am stärksten auf unterschiedliche Wolkendicken und Bedeckungsgrade reagieren. Für das Diagramm (13) werden diese Quotienten benutzt. Da es zur Entdeckung voll bewölkter Pixel sehr wichtig ist, wird im folgenden die Anfälligkeit dieser Methode gegenüber nicht planparallelen Wolken untersucht. Dazu werden die Strahldichten über planparallelen Wolken unterschiedlicher optischer Dicke bei sonst konstanten Parametern berechnet. Die Simulation einer annähernd dreieckigen bzw. kegelförmigen Wolke kann durch Kombination dieser Strahldichten erreicht werden, wie Abbildung 19a zeigt.

Abbildung 19 a): Simulation dreieckiger Wolken durch Zusammensetzung planparalleler Teilstücke für unterschiedliche Bedeckungsgrade eines Pixels.
b): Ein innen gelegenes Wolkenelement k mit der Mächtigkeit Mk ist von dickeren (k+1) und flacheren (k-1) Nachbarelementen umgeben. Die am Satelliten ankommende Strahldichte ergibt sich dann aus

       (P -  L) . Iklar + 2B . (I1 + I2 + ... + In)
ISat = --------------------------------------
                   2nB  + P - L
(35)

Dabei sind Iklar die Strahldichten im unbewölkten Teil, und Ii jene über bewölkten Teilen mit der Mächtigkeit Mi. Durch Variation der Größen n, B, L und Mi können dann Pixel mit unterschiedlichem Bedeckungsgrad und verschieden steilen Wolkenflanken nachgebildet werden. Abbildung 20 zeigt die Ergebnisse der Simulationen in der gleichen Darstellung, wie Abbildung 13 es für planparallele Wolken tut. Die einzelnen Kurven sollen hier nicht diskutiert werden. Wichtig ist nur, daß der prinzipielle Verlauf sich nicht von dem für homogene und planparallele Wolken unterscheidet. Das Verfahren zur Erkennung sicher vollbewölkter Pixel aus Abschnitt 8.1 gilt also auch für unterschiedliche Wolkengeometrien.
Das eindimensionale Strahlungsübertragungsmodell berücksichtigt die Wechselwirkungen der verschiedenen Teile einer horizontal unendlich ausgedehnten und planparallelen Wolke. Der Einfluß unterschiedlicher Mächtigkeit einzelner Wolkenstücke auf diese Wechselwirkungen wird bei einer Kombination der Strahldichten Ii in Gleichung (35) aber nicht beachtet. Die Prinzipskizze der Dreieckwolken (Abb. 19b) zeigt, daß für die innen gelegenen Wolkenstücke folgende Überlegung gilt: Das Wolkenstück k mit der Mächtigkeit Mk ist von dem weniger mächtigen Stück k-1 und dem dickeren Stück k+1 umgeben. Die aus dem Element k nach oben austretende Strahldichte IkD muß hier größer sein als die Strahldichte Ik=, welche sich bei Einbettung des Stückes k in eine planparallele Wolke der Mächtigkeit Mk ergibt. Vom Wolkenstück Mk+1 - Mk empfängt Element k mehr Wärmestrahlung als beim Fehlen dieses Stückes von den oberen Luftschichten allein kommen würde; umgekehrt empfängt Element k durch die "Lücke" Mk - Mk-1 mehr warme Ozeanstrahlung als von diesem Stück mit niedrigerer Temperatur emittiert würde.
Dies gilt für die Spektralbereiche alle 3 Infrarot Kanäle des AVHRR. Jedoch ist die Transmission von Wolken im Kanal 3 am höchsten, bei Kanal 5 am niedrigsten. Darum ist die relative Änderung der Strahldichte bei Kanal 5 am größten und bei Kanal 3 am kleinsten, wenn die Wechselwirkung der verschieden mächtigen Wolkenstücke zusätzlich berücksichtigt wird. Also sind, bei festgehaltenem Bedeckungsgrad, sowohl I3/I4 als auch I4/I5 etwas kleiner als in Abbildung 20 gezeigt. Für das Verfahren zur Entdeckung voll bewölkter Pixel ist dies aber eher besser, da sich die vollbewölkten Pixel (am linken Rand von Abb. 20) weiter von den teilbewölkten entfernen und damit eine Trennung begünstigen.
Abbildung 20: Strahldichtequotienten für teil- und vollbewölkte Pixel, die dreieckige Wolken mit der Basislänge L und der maximalen Wolkenhöhe H enthalten. Die Differenz zwischen zwei Bedeckungsgraden beträgt 0.2 . Die vollbewölkten Pixel sind durch dickere Symbole markiert. M und K stehen für die Betrachtung der Mitte bzw. Kante derselben Wolke. Für die Berechnungen ist die SST = 278 K, die Wolkenbasistemperatur TB = 256.8 K und der Extinktionskoeffizient der Wolke b0.55 = 20 km-1.


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