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9 Auswertung von Satellitendaten

Die im vorigen Kapitel erstellten Verfahren zur Bestimmung der Wolkenbasistemperatur werden nun auf Meßdaten der Satelliten NOAA-9 und NOAA-11 angewendet. 15 Beobachtungen (siehe Tab. 9) von Situationen kontinentaler und polarer Kaltluftausbrüche über der Nordsee bzw. dem Europäischen Nordmeer werden ausgesucht und nach folgendem Schema untersucht.










Nr.
Datum
Mitte des Gebietes
SST [K]
Station
TL [K]
ff [m/s]
dd [Grad]








1
8.11.85
66.6 Nord, 0.8 Ost
278.0
WS-M
273.9
12
325
2
8.11.85
70.0 Nord, 6.0 West
277.0
JM
263.9
9
340
3
9.11.85
67.8 Nord, 3.2 West
278.2
WS-M
272.4
6
350
4
9.11.85
71.0 Nord, 0.5 West
274.7
JM
264.3
10
340
5
10.11.85
63.3 Nord, 2.0 Ost
280.0
WS-M
273.8
17
340
6
11.11.85
67.3 Nord, 2.6 Ost
278.6
WS-M
274.2
16
355
7
11.01.87
55.5 Nord, 3.2 Ost
277.0
SL
260.6
6
40
8
18.11.88
67.3 Nord, 6.7 Ost
280.0
WS-M
272.7
13
325
9
19.11.88
67.4 Nord, 2.3 Ost
279.3
WS-M
272.8
13
345
10
19.11.88
70.1 Nord, 1.9 Ost
277.9
JM
263.9
6
360
11
17.12.88
68.3 Nord, 4.7 Ost
279.2
WS-M
274.4
11
340
12
20.12.88
67.6 Nord, 6.3 Ost
279.5
WS-M
275.9
9
320
13
17.02.89
65.7 Nord, 7.4 Ost
279.3
WS-M
271.1
12
300
14
17.03.89
66.9 Nord, 4.2 Ost
278.3
WS-M
271.7
12
330








Tag
11.01.87
55.0 Nord, 4.0 Ost
278.0
SL
261.7
6
40
Hemsby
269.7
5
40








  Tabelle 9: Überblick der untersuchten Situationen. Angegeben sind die geographischen Koordinaten der Mitte der 512*512-Pixel Ausschnitte, die hierfür aus Satellitendaten über Gleichung (20) bestimmte mittlere SST sowie die Bodenwerte von Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit und Windrichtung der zum Vergleich benutzten Radiosondenstationen Wetterschiff-M (WS-M), Jan Mayen (JM), Schleswig (SL) und Hemsby.

Aus den 2048 Pixel breiten Streifen der AVHRR-Aufnahmen werden 512*512 Pixel große Untersuchungsgebiete (ca. 250000 km2) ausgesucht, in denen konvektive Wolken und wolkenfreie Gebiete zu erkennen sind. Dafür bieten sich besonders Situationen mit offener Zellularbewölkung an. Wenn möglich werden die Ausschnitte so gewählt, daß die Ränder des Gebietes nicht weiter als 460 Pixel vom Subsatellitenpunkt entfernt sind. Dies gewährleistet einen Scanwinkel kleiner als 25o und somit die winkelmäßig beste Übereinstimmung mit den Modellrechnungen, deren nadirnächste Zenitwinkelstützstelle bei 25.8o liegt.

9.1 Nachtaufnahmen

Für jene Fälle, in denen Kanal 3 erkennbares Rauschen zeigt, werden seine Zählratebilder der in Kapitel 2.2.2 beschriebenen Glättungsprozedur unterzogen. Wolkenerkennungsverfahren (SAUNDERS und KRIEBEL, 1988; SCHLÜSSEL, 1986) liefern wolkenfreie Pixel. Für diese wird über Gleichung (20) die Wasseroberflächentemperatur bestimmt. Dabei stellt sich heraus, daß innerhalb des Untersuchungsgebietes die SST regionale Unterschiede von mehreren Grad Celsius zeigen kann. Am Beispiel eines NOAA-9 - Überfluges vom 8.11.85 wird geprüft, ob die Variationen der SST berücksichtigt werden müssen, wenn aus den Strahldichtequotienten die vollbewölkten Pixel abgeleitet werden sollen (vgl. Abb. 13). Zunächst wird der Bildausschnitt (rotes Gebiet in Abb. 21) in vier Quadranten unterteilt.

Abbildung 21: Helligkeitstemperaturen des Kanals 4 der AVHRR-Szene vom 8.11.85 in einer polarstereographischen Projektion. Die rot bzw. grün gekennzeichneten Gebiete sind die hier im weiteren untersuchten 512*512-Pixel-Ausschnitte. Die Positionen von Wetterschiff-M und Jan Mayen sind gekennzeichnet.
Für jeden werden dann zwei Histogramme der Strahldichtequotienten I34 und I45 erstellt: eines für wolkenfreie Pixel, das andere für bewölkte. In Tabelle 10 sind jene Werte dieser Strahldichtequotienten angegeben, die in den wolkenlosen Pixeln am häufigsten vorkommen. Sie unterscheiden sich für die verschiedenen Wassertemperaturen nur so wenig, daß eine sichtbare Auswirkung der SST auf die Histogramme von Strahldichtequotienten für bewölkte Pixel nicht zu erwarten ist.






Quadrant
SST [K]
sSST [K]
I34
I45





o.l.
277.15
0.9
2.70 . 10-3
0.859
o.r.
278.85
0.5
2.80 . 10-3
0.861
u.l.
277.85
0.7
2.75 . 10-3
0.859
u.r.
279.05
0.4
2.75 . 10-3
0.863
alle
278.65
1.0
2.80 . 10-3
0.862





 
Tabelle 10: Vergleich der lokalen SST-Mittelwerte und der Strahldichtequotienten größter Häufigkeit für wolkenfreie Pixel. sSST bezeichnet die Standardabweichung der SST. Die Angaben der Quadranten mit den Abkürzungen für oben, unten, links und rechts erfolgt für den Vergleich mit den Abbildungen 22 und 24c.
Dies bestätigt auch die Abbildung 22: Die Histogramme der bewölkten Pixel zeigen in den vier Quadranten zwar unterschiedliche Ausdehnungen; wegen ihrer unscharfen Grenzen ist es aber nicht möglich die Bereiche vollbewölkter Pixel, welche nach Abbildung 13 am linken Rand jeder Verteilung liegen müssen, in den vier Quadranten signifikant verschieden zu kennzeichnen. Darum wird im folgenden die Suche nach vollbewölkten Pixeln im Histogramm des gesamten Bildausschnittes ohne Rücksicht auf verschiedene Wasseroberflächentemperaturen erfolgen.

Abbildung 22: Häufigkeitsverteilungen der Strahldichtequotienten I34 und I45 für bewölkte Pixel in den vier Quadranten des untersuchten Bildausschnittes. Dunkle Flächen stehen für große, hellere Flächen für geringere Häufigkeiten.

Die in Abbildung 22 erkennbaren horizontalen Streifen in den Histogrammen entstehen durch den temperaturabhängigen Digitalisierungsfehler des AVHRR und brauchen hier nicht weiter beachtet zu werden.
9.1.1 Anwendung der einfachen Histogrammethode
Zunächst soll mit Hilfe der in Abschnitt 8.2 gefundenen Methode versucht werden, aus dem T34-Maximum einen Schätzwert für die Wolkenbasistemperatur anzugeben. Dazu werden die Helligkeitstemperaturen aller als voll bewölkt klassifizierten Pixel in einem zweidimensionalen Histogramm dargestellt (Abb. 23).
Abbildung 23: Zweidimensionales Histogramm der Helligkeitstemperatur des Kanals 5 und der Temperaturdifferenz T34 für vollbewölkter Pixel im gesamten Bildausschnitt (links) und in einem Quadranten (rechts). Je dunkler ein Punkt, desto häufiger ist seine Koordinate (T34, T5) durch Pixel repräsentiert: Schwarz entspricht 40 Pixeln, Weiß bedeutet, daß solche Kombinationen im Untersuchungsgebiet nicht vorkommen.

Der Vergleich mit Abbildung 15 zeigt, daß die äußere Form des Histogramms von den Modellergebnissen richtig wiedergegeben wird. Dagegen sind die vielen Pixel mit geringen Kanaldifferenzen (T3 - T4  ~~ 0) in Abbildung 15 nicht zu finden. Bezüglich eines Maximalwertes von T34 treten auch bei der Eingrenzung des Histogramms auf einen Teil der betrachteten Szene (Abb. 23 rechts) keine ausreichend klaren Strukturen auf. Der Bereich maximaler Kanaldifferenz ist schwer zu lokalisieren und damit ist eine Schätzung der Wolkenbasistemperatur aus diesem Histogramm sehr unsicher. Die Begründung für die starke Streuung der Meßwerte ist in den mikrophysikalischen Parametern der betrachteten Wolken zu suchen. Offensichtlich treten Wolken mit so unterschiedlichen Flüssigwassergehalten und Tröpfchengrößenverteilungen innerhalb des Untersuchungsgebietes auf, daß eine gemeinsame Behandlung nur mit Hilfe der beiden Parameter T5 und T34 nicht möglich ist.
9.1.2 Anwendung der Regressionsgleichungen
Die Regressionsgleichung (22) zur Bestimmung der optischen Dicke wird auf alle Pixel angewendet, die durch ihre Position im Strahldichtehistogramm (Abb. 22) als vollbewölkt betrachtet werden können. Wegen fehlender Vergleichsmöglichkeiten können die Ergebnisse der Berechnung der optischen Dicke nur qualitativ durch Betrachtung auf der Bildverarbeitungsanlage beurteilt werden. Dabei erscheinen geringe Dicken im inneren Bereich offener Zellen bzw. höhere Dicken in den Zellrändern vernünftig.
Liefert diese Prozedur (Gleichung 22) optische Dicken 0 < t0.55 < 15, so wird je nach Dicke aus einer der Gleichungen (23) bis (26) die Wolkenbasistemperatur geschätzt. Dabei stellt sich heraus, daß die Ergebnisse in einigen Szenen eine erhebliche Streuung zeigen. Das liegt zum einen an der Methode zur Klassifizierung vollbewölkter Pixel mit Hilfe der Strahldichtehistogramme (Abb. 22). Da diese keine fest definierten Formen haben, muß die Auswahl des Gebietes "linker Rand" interaktiv erfolgen. Dies kann leicht dazu führen, daß entweder auch teilbewölkte Pixel benutzt werden, oder aber gerade jene semitransparenten Wolken ausgeschlossen werden, welche nach den Modellrechnungen die besten Ergebnisse erwarten lassen. Zum anderen zeigt sich, daß ein großer Anteil der Streuung in den abgeleiteten Basistemperaturen von unbekannten Wolken verursacht wird, d.h. von solchen, die in den Pixeln Kanalinformationen verursachen, welche außerhalb des modellierten Bereichs liegen. Da die Regressionsgleichungen (22) und (23) bis (26) aber am besten an den modellierten Bereich angepaßt sind, werden im weiteren nur noch solche Pixel untersucht, die innerhalb des Modellbereiches liegen, d.h. die die folgenden Bedingungen erfüllen:

Als weiteres Problem erweisen sich dünne Cirrusschirme über Wasser und vor allem über anderen Wolken. Sie verursachen Pixel mit Helligkeitstemperaturen, die generell innerhalb des oben angegebenen Bereiches liegen. Zum Teil wegen ihrer unterschiedlichen Struktur, aber auch einfach weil sie sehr kalt sind, liefert die Anwendung der Regressionsgleichungen (23) bis (26) weit unter dem Mittelwert liegende Basistemperaturen. Ein großer Teil dieser problematischen Pixel kann aber mit Hilfe der beiden folgenden Methoden erkannt und aussortiert werden: OLESEN und GRASSL (1986) zeigen, daß Cirren überwiegend hohe Kanaldifferenzen T34 verursachen. Da Cirrusschirme meistens größer als einige Pixel sind, kann von einem flächenhaften Auftreten großer Differenzen T3 - T4 auf das Vorhandensein von Cirren geschlossen werden. Da die in dieser Arbeit untersuchten Szenen aber sehr verschiedene Temperaturprofile umfassen, gibt es keinen generellen Schwellwert für "großes T34". Dieser muß interaktiv für jedes Untersuchungsgebiet gefunden werden. Dieses Verfahren kann allerdings sehr dünne Cirren mit optischen Dicken t0.55 « 1 nicht erkennen, da diese nur ein geringes T34 erzeugen. Für solche Wolken hilft eine Gleichung zur Bestimmung der optischen Dicke dünner Cirren (MANSCHKE, 1985):

                                      T3-
tCi = - 12.06 - 0.00488 . T5 + 13.376 . T4
(36)

Sie ist für Cirren über Wasser im Bereich 0 < tCi < 1 gültig. Ihre Anwendung auf die Helligkeitstemperaturen der Wolken des Modelldatensatzes ergibt, daß die berechneten Werten von tCi meist kleiner als 0.2 sind. Es werden deswegen solche Pixel als "cirrusverdächtig" aussortiert, für die sich ein tCi > 0.2 ergibt. All diese unterschiedlichen Methoden zur Auswahl geeigneter Pixel können nicht verhindern, daß teilweise Bildelemente mit Wolken "anderer Art" weiter verwendet werden. Damit sind solche Wolken gemeint, die von den modellierten Typen mehr oder weniger deutlich abweichen. Diese erhöhen die Streuung der abgeleiteten Basistemperaturen. Die Analyse mehrerer Szenen ergibt, daß sich besonders bei mächtigen Wolkenstrukturen mit niedrigen Helligkeitstemperaturen solche Basistemperaturen ergeben, die erheblich (bis zu 8 K) unter dem mittleren Wert liegen. Dies weist auf ein Versagen der Gleichung (22) hin, die offensichtlich auch bei dicken Wolken teilweise noch "Semitransparenz" ergibt. Da aber Wolken sicher nicht mehr semitransparent sind, wenn T5 < TB-quer - 10K , werden solche Pixel ebenfalls aussortiert.
Bevor im nächsten Kapitel die aus Satellitendaten geschätzten Wolkenbasistemperaturen (TBS) mit den aus Radiosondenaufstiegen berechneten Temperaturen des Hebungskondensationsniveaus TH verglichen werden, erfolgt hier eine Beschreibung typischer TBS-Werte anhand der Test-Szene vom 8.11.85. In Abbildung 24 sind Häufigkeitsverteilungen von TBS für verschiedene Bedingungen dargestellt. Es ist leicht zu sehen, daß für die drei Klassen optischer Dicke mit t0.55 > 3 keine statistisch signifikant verschiedenen Temperaturen abgeleitet werden. Dagegen weist die Klasse 0 < t0.55 < 3 erkennbar geringere Temperaturen aus. Außerdem ist auf der kalten Seite des Histogramms eine scharfe Kante zu erkennen. Dort hat offensichtlich ein Schwellwertverfahren Pixel aussortiert, die rechts davon noch zugelassen wurden. Es ist zu vermuten, daß dieser Effekt von vereisten Wolkenkappen oder sehr dünnen Cirren verursacht wird, da diese einerseits wegen ihrer niedrigen Temperaturen für kleine TBS - Werte sorgen und andererseits so dünn sind, daß sie wesentlich seltener in Klassen mit höheren optischen Dicken einsortiert werden. Unterstützt wird diese These durch die Beobachtung, daß niedrige TBS-Werte besonders an den Rändern hochreichender Wolkenkomplexe abgeleitet werden (vgl. Abb. 25) und der Algorithmus (22) dort auffallend viele Pixel mit t0.55 < 3 ausweist.
In Abbildung 24 zeigen die Histogramme für die vier Quadranten nur geringe Unterschiede. Die kalten Nebenmaxima in den beiden oberen Darstellungen weisen auf die falsch zugeordneten Pixel der Klasse t0.55 < 3 hin. Die wahren mittleren Wolkenbasistemperaturen werden hier eher durch den häufigsten Wert der Verteilungen repräsentiert als durch den Mittelwert.

Abbildung 24: Histogramme der gemittelten Wolkenbasistemperaturen TBS für eine AVHRR-Szene vom 8.11.85 im Gebiet des Europäischen Nordmeeres. Gemittelt wurde an jedem Punkt jeweils innerhalb der lokalen 51*51-Pixel-Umgebung über die TBS-Werte solcher Pixel, die alle Bewölkungstests passiert haben. Die Gesamtzahl der benutzten Pixel ist jeweils eingetragen.

 a)
Ergebnisse für die vier Klassen optischer Dicke


Abbildung 24:
 b)
Ergebnisse der gesamten Szene für alle zugelassenen Pixel
 c)
Ergebnisse für alle zugelassenen Pixel in den vier Quadranten o.l. bis u.r.

 
Die räumliche Variation der Basistemperaturen im Untersuchungsgebiet ist aber in Abbildung 25a besser zu erkennen als durch Vergleich der Mittelwerte dieser etwas willkürlich eingeteilten Quadranten. Für die dafür notwendige kleinräumige Mittelung muß beachtet werden, daß
  a)
genügend Pixel benutzt werden, damit überhaupt ein signifikanter Mittelwert berechnet werden kann, und
  b)
das Mittelungsgebiet nicht so weit ausgedehnt wird, daß Pixel aus Regionen mit tatsächlich unterschiedlichen Basistemperaturen gemeinsam benutzt werden.

Hier wurden die jeweils lokalen Umgebungen von 51*51 Pixeln benutzt. Im Verhältnis zur Genauigkeit des ganzen Verfahrens sind diese Gebiete klein genug, um ausreichende Homogenität bezüglich der Wasseroberflächen - und Lufttemperaturen sowie der vertikalen Schichtungen anzunehmen. Andererseits zeigt sich, daß dabei ausreichend viele Pixel für die Mittelung zur Verfügung stehen. Nur in einigen Regionen sinkt deren Anzahl unter 6. Für diese Fälle wird in Abbildung 25 keine Temperatur angegeben.


Abbildung 25a: Gleitende Mittelwerte der aus Satellitendaten abgeleiteten Wolkenbasistemperatur TBS am 8.11.85. Schwarz wurde für die Fälle gewählt, bei denen innerhalb der 51*51-Pixel Umgebung nicht über mindestens 6 Temperaturen gemittelt werden konnte. Es sind solche Pixel weiß markiert, an denen TBS berechnet wurde. Das Wetterschiff-M liegt auf den Koordinaten (66oNord, 2oOst). Für hellviolette Pixel gilt T34 > 9K (Cirren).


Abbildung 25b: Wie Abbildung 25a, aber für die Region um Jan Mayen (71oNord, 8oWest).

Zur weiteren Analyse von Abbildung 25 können die Daten der Tabellen 9 und 11 sowie die Abbildungen 21 und 2 (im Anhang) mit benutzt werden. Zunächst ist in Abbildung 25 eine deutliche Erwärmung der Wolkenbasis mit dem Strömungsverlauf zu erkennen. Während die mittlere Wasseroberflächentemperatur nur von 277 K (im Gebiet von Abb. 25b) auf 278 K (Gebiet von Abb. 25a) steigt, verändert sich die mittlere Wolkenbasistemperatur von ca. 262 K auf etwa 266 K. Das Hebungskondensationsniveau erhöht sich dabei um ca. 150 m (Tab. 11).
Die in Abbildung 25 hellviolett dargestellten Pixel kennzeichnen solche Regionen, in denen die Differenz der Helligkeitstemperaturen T34 > 9K ist. Solche hohen Kanaldifferenzen werden durch Eiswolken verursacht. Dabei deuten einzelne Pixel auf vereiste Wolkenkappen hin, während zusammenhängende Flächen eher von Cirrusschirmen stammen. Die Betrachtung dieser Regionen in Abbildung 2 (Anhang) zeigt dort kalte, schichtförmige Bewölkung. Obwohl die zur Ableitung der Wolkenbasistemperatur benutzten Pixel (in Abb. 25 weiß gekennzeichnet) auch dort die verschiedenen Cirrus-Tests bestanden haben, werden die in der Nähe dieser Schichtwolken berechneten Temperaturen nicht für den Vergleich Satellit - Radiosonde benutzt, da dort sicher nicht die Basistemperaturen konvektiver Wolken berechnet werden. Ein vermehrtes Auftreten hoher Kanaldifferenzen T34 kann als zusätzliches Kriterium zur Erkennung solcher problematischer Regionen benutzt werden. Dies gilt für den oberen Rand sowie die untere rechte Ecke in Abbildung 25a und die obere rechte Ecke in Abbildung 25b.
Der Einfluß des Abstandes zur Eiskante auf die Wolkenbasistemperatur ist in Abbildung 25b besonders gut zu erkennen. Die Luft stömt vom Eis nur etwas mehr als 100 km über offenes Wasser, um in die westlichsten Gebiete zu gelangen (vgl. Abb. 21). Je länger dieser Weg ist, desto höher wird die Temperatur an der Wolkenbasis. Da dabei die Differenz SST - TLuft nach Südosten immer kleiner wird, nimmt der Gradient der Basistemperatur im weiteren Strömungsverlauf ab. In Abbildung 25a beträgt der Unterschied zwischen östlichem und westlichem Mittelwert nur noch ca. 3 K. In Abbildung 25a sind in regelmäßigen Abständen kältere (grün eingefärbte) Regionen zu erkennen. Der Vergleich mit Abbildung 2a (Anhang) zeigt, daß es sich dabei um die Ränder offener Zellen handelt. Die dort auftretende kräftige Aufwärtsbewegung der Luft kann dazu führen, daß die Wolkenbasis im Bereich dieser Cumuli höher liegt und damit kälter ist als in der Umgebung. Diese Erklärung kann aber wegen fehlender Vergleichsdaten nicht weiter gestützt werden.

9.2 Tagaufnahmen

Die Auswertung von Bildern, bei deren Aufnahme die Sonne über dem Horizont stand, muß mit der in Kapitel 8.2.2 beschriebenen Iterationsmethode für TB aus den Daten der Kanäle 4 und 5 geschehen. Bei der Auswahl der zu untersuchenden Pixel steht aber das Verfahren zur Identifizierung vollbewölkter Pixel (Abb. 13) wegen seiner Abhängigkeit von Kanal 3 nicht zur Verfügung. Zur Erkennung vollbewölkter Bildelemente werden deswegen die Verfahren von SAUNDERS und KRIEBEL (1988) benutzt.
Die Modellrechnungen zeigten bereits hohe Unsicherheiten in den abgeleitenten Wolkenbasistemperaturen für dickere Wolken (t0.55 > 10). Deswegen wird hier TB nur für solche Wolken berechnet, für die das Iterationsschema eine optische Dicke im Bereich 1 < t0.55 < 4 ergibt. Die gleitenden Mittelwerte der lokalen 51*51-Pixel Umgebungen zeigt die Abbildung 26. An der Westküste Jütlands gibt das Verfahren hohe Wolkenbasistemperaturen an, die zunächst mit wachsender Entfernung von der Küste abfallen. Tabelle 9 gibt für Schleswig (54.4oN, 9.3oE) eine Lufttemperatur von 261.7 K an. Zugehörige Wolkenbasistemperaturen um 264 K im Bereich der Elbemündung und sogar bis zu 270 K bei Nordjütland sind sehr unglaubwürdig. Wie der Vergleich mit Abbildung 3 (Anhang) zeigt, sind diese Regionen nur schwach bewölkt. SAUNDERS und KRIEBEL (1988) weisen darauf hin, daß Schwellwertmethoden zur Wolkenerkennung wegen des variablen Untergrundes in Küstennähe sehr problematisch sind. Offensichtlich sind die hier gewählten Schwellwerte für den schwach bewölkten Küstenbereich ungeeignet und so werden auch teilbewölkte Pixel als vollbewölkt ausgewiesen. Die daraus abgeleiteten Temperaturen sind deshalb in diesem Bereich ohne Aussagekraft.
Abbildung 26: Wie Abbildung 25 , aber für eine Tagszene vom 11.1.87 über der Nordsee. Landgebiete (Deutsche Nordseeküste und Westjütland) sind rot eingefärbt.

Dagegen ist die generelle Erwärmung der Wolkenbasis mit zunehmendem Abstand vom kalten Kontinent vernünftig. Die große Temperaturdifferenz SST - TL und geringe Windgeschwindigkeiten (Tab. 9) führen dazu, daß der Gradient der Wolkenbasistemperatur deutlich stärker ist als bei der vorher betrachteten Szene im Europäischen Nordmeer (Abb. 25).
Die Übereinstimmungen zwischen den Temperaturen der Hebungskondensationsniveaus, abgeleitet für die Landstationen Schleswig und Hemsby (52.4oN, 1.4oE) und den nächstmöglichen Werten der Wolkenbasistemperatur (siehe Tab. 11) liegen im Rahmen der theoretischen Genauigkeit von etwa 4 K.
Dieses Verfahren zur Bestimmung der Wolkenbasistemperatur am Tage zeigt in den Einzeldaten zwar eine deutlich breitere Streuung als die Ergebnisse der Regressionsmethoden bei Nacht. Bei geeigneter Mittelung ist es aber offensichtlich in der Lage, allein aus den Kanälen 4 und 5 einen vernünftigen Schätzwert der Wolkenbasistemperatur zu liefern.

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