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10 Vergleich mit Radiosondendaten

Ein Hauptproblem bei der Erstellung von Fernerkundungsverfahren ist die Verifizierung der abgeleiteten Größen. Das liegt zum Teil schon daran, daß für einige Parameter keine konventionellen Meßmethoden bzw. Datenarchive zur Verfügung stehen. So können die in dieser Arbeit aus Satellitendaten berechneten optischen Dicken der Wolken wegen fehlender Vergleichsmöglichkeiten nicht direkt überprüft werden. Da sie aber ein notwendiges Zwischenprodukt bei der Ableitung der Wolkenbasistemperatur sind, wird bei einer Beurteilung dieser Temperatur auch indirekt das Verfahren für die optische Dicke mit getestet.
Die ideale Vergleichsmöglichkeit für die Temperatur an der Wolkenbasis bieten Flugzeugmessungen in entsprechenden Höhenschichten. Für die hier untersuchten Szenen stehen aber keine entsprechenden Flugzeugdaten zur Verfügung. Deswegen werden Radiosondenmessungen verschiedener Stationen für den Vergleich benutzt. Dabei kann das Wolkenbasisniveau nur dann direkt aus dem pTF-Profil einer Radiosonde abgelesen werden, wenn diese genau durch die Wolkenunterkante geflogen ist und die relative Feuchte dabei auf ca. 100% ansteigt. Weil dies im allgemeinen aber nicht der Fall ist, wird als Vergleichswert für die Satellitendaten die Temperatur des Hebungskondensationsniveaus (TH) verwendet.
Bei Kaltluftausbrüchen werden die unteren Luftschichten von der warmen Ozeanoberfläche labilisiert. Am Boden startende Luftpakete werden dann trockenadiabatisch bis zur Kondensationshöhe HK aufsteigen können. Für eine Berechnung von HK muß die Starttemperatur genau bekannt sein. Wegen des starken vertikalen Temperaturgradienten direkt über der Wasseroberfläche entspricht aber der erste von der Radiosonde gemessene Wert nicht unbedingt genau dieser Temperatur. Für den hier angestrebten Vergleich ist die Bestimmung der Temperatur an der Wolkenbasis aus Radiosondendaten auf diese Weise aber gut genug.
Tabelle 11 sowie die Abbildung 27 zeigen die Gegenüberstellung der abgeleiteten Temperaturen.


Abbildung 27: Vergleich der aus Satellitendaten bei Nacht abgeleiteten Wolkenbasistemperatur TBS und der Temperatur des aus Radiosondenmessungen bestimmten Hebungskondensationsniveaus TH. Die Nummern beziehen sich auf die Tabellen 9 und 11.








Nr.
Datum
Station
SST
- TL [K]
HK [m]
TH [K]
TBS [K]
SST - TBS [K]








1
8.11.85
WS-M
4.1
744
267.2
266.0
12.0
2
8.11.85
JM
13.1
600
258.0
261.3
15.7
3
9.11.85
WS-M
5.8
593
266.6
266.4
11.8
4
9.11.85
JM
10.4
535
259.0
261.3
13.4
5
10.11.85
WS-M
6.2
530
268.6
269.0
11.0
6
11.11.85
WS-M
4.4
622
268.1
266.1
11.7
7
11.01.87
SL
17.6
904
253.1
254.9
22.1
8
18.11.88
WS-M
7.3
579
266.9
265.7
14.3
9
19.11.88
WS-M
6.5
640
266.6
267.1
12.2
10
19.11.88
JM
14.0
455
259.4
260.5
17.4
11
17.12.88
WS-M
4.8
148
272.3
267.2
12.0
12
20.12.88
WS-M
3.6
468
271.3
268.2
11.3
13
17.02.89
WS-M
8.2
313
268.0
265.6
13.7
14
17.03.89
WS-M
6.6
212
269.6
266.0
12.3








Tag
11.01.87
SL
16.3
875
253.1
257.0
21.0
Hemsby
8.3
192
267.8
266.0
12.0








  Tabelle 11: Vergleich der aus Satellitendaten abgeleiteten Temperatur der Wolkenbasis und der Temperatur des Hebungskondensationsniveaus für die Radiosondenstationen Wetterschiff-M (WS-M), Jan Mayen (JM), Schleswig (SL) und Hemsby. Die Angabe der Nummern erfolgt für den Vergleich mit Tab. 9 und Abb. 27.

Die Werte der Satellitenmessungen sind hierfür aus Bildern der Art (25) entnommen. In einigen Fällen waren die Werte der unmittelbaren Umgebung der Radiosondenstationen aber durch Cirrusschirme verfälscht (vgl. Kap. 9.1.2) bzw. nicht genügend Pixel zur Mittelwertbildung vorhanden. Es wurden dann die senkrecht zum Gradienten des TBS-Feldes nächstgelegenen Temperaturen verwendet. Für die 14 in Abbildung 27 miteinander verglichenen Datenpunkte ergibt sich eine Standardabweichung von 1.9 K. Es ist zu erkennen, daß der Satellit weniger starke Schwankungen liefert als die Radiosonde, denn bei niedrigen Temperaturen ergibt die Satellitendatenauswertung etwas höhere Basistemperaturen als die Radiosondenmeldungen, bei höheren Temperaturen dagegen etwas niedrigerere. Der Vergleich der Tabellen 9 und 11 mit Abbildung 27 liefert aber keinen ausreichenden Hinweis auf eine Abhängigkeit der Differenz TBS - TH von einer anderen Größe. Weder der Temperatursprung an der Wasseroberfläche (SST - TL), noch die Luft- oder Wolkenbasistemperatur selbst zeigen einen regelmäßigen Einfluß auf die Unterschiede der abgeleiteten Temperaturen. Lediglich die Höhe des Hebungskondensationsniveaus ist für die "schlechten" Fälle 11, 12 und 14 relativ gering. Nr. 10 hat aber bei ähnlicher Höhe gute Übereinstimmung, so daß aus diesen wenigen Untersuchungen keine signifikante Abhängigkeit erkennbar ist.
Es darf allerdings nicht davon ausgegangen werden, daß alle Punkte in Abbildung 27 auf der Diagonalen liegen müßten, denn die beiden Meßsysteme sind aus folgenden Gründen nur bedingt vergleichbar:
  -
Die Messungen erfolgen nicht zeitgleich. Die Satellitenaufnahmen erfolgen bei Nachtszenen zwischen 2 Uhr und 4 Uhr. Dagegen liegen Radiosondendaten im günstigen Fall für die Termine 0 Uhr GMT und 6 Uhr GMT vor, so daß für dazwischen liegende Zeiten interpoliert werden muß.
  -
Die Radiosonde liefert eine Punktmessung, während das AVHRR im günstigsten Fall Meßgebiete von 1km2 Größe erfaßt. Zur Bildung signifikanter Mittelwerte mußte in dieser Arbeit sogar über sehr viel größere Gebiete integriert werden.
  -
Beide Verfahren werden durch Meßfehler beeinträchtigt. Für die Satellitendaten ist dies in den vorigen Kapiteln bereits beschrieben worden. Die Radiosondenmessungen unterliegen Unsicherheiten im Bereich von ±0.3oC bzw. 6-10% relativer Feuchte (VAISALA NEWS, 1981).
  -
Zwei der verwendeten Stationen (Schleswig und Jan Mayen) starten ihre Radiosonden über Land. Auch bei starker Luftströmung ist die Temperatur der bodennahen Luftschicht, welche den Ausgangspunkt zur Berechnung von TH bildet, niedriger als die über Wasser.

Dieser letzte Punkt kann einen Teil der Unterschiede der Temperaturen in Abbildung 27 für Jan Mayen und Schleswig erklären: Die Satellitendaten können nur über Wasser ausgewertet werden. Eine geringere Bodentemperatur über Land führt, bei gleicher absoluter Feuchte, aber zu der Berechnung eines höher gelegenen, kälteren Hebungskondensationsniveaus.
Wegen der oben geschilderten Unterschiede kann weder die Satelliten- noch die Radiosondenmessung als "Wahrheit" bezeichnet werden. Die Abbildung 27 zeigt aber eine prinzipiell gute Übereinstimmung dieser verschiedenen Meßsysteme.
Der Fehlerbereich in der Ableitung der Wolkenbasistemperatur ist damit bekannt. Im nächsten Kapitel kann deswegen untersucht werden, welche Verbesserung diese Kenntnis für die Fernerkundung der langwelligen Strahlungsflußdichten an der Ozeanoberfläche bedeutet.



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