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4 Wolken

Die numerische Integration der Strahlungsübertragungsgleichung (11) erfordert für jede homogene Atmosphärenschicht die Kenntnis der spektralen Größen w0n, Pn(h, h') und t n. Unter der Annahme kugelförmiger Wolkentröpfchen können alle drei Parameter mit Hilfe der MIE - Theorie berechnet werden, wenn die Größenverteilung der Tröpfchen sowie deren komplexer Brechungsindex bekannt sind. Für solche Teilchen ist die Streufunktion nur noch eine Funktion des Streuwinkels a . Hier wird allerdings nicht die exakte Streufunktion P(a) verwendet, sondern der Anisotropiefaktor g, welcher mit P(a) über

     integral 
      p
g =  0  P(a) cosada
(12)
 
verbunden ist. Somit kann statt der Streufunktion die von HENYEY und GREENSTEIN (1941) eingeführte Näherung
                   1 - g2
P*(cos a) = ---------------------
            (1 + g2-  2gcos a)3/2
(13)
 
benutzt werden.

4.1 Tröpfchengrößenverteilungen

In der Literatur existieren keine Angaben über Tröpfchengrößenverteilungen konvektiver Wolken der polaren Grenzschichtatmosphäre. Ergebnisse jüngster Experimente (ARKTIS'88) waren noch nicht so weit ausgewertet, daß sie in diese Arbeit hätten einfließen können. Deswegen muß von vorhandenen Tropfenspektren meist kontinentaler Wolken ausgegangen werden. Abbildung 5 zeigt die gemessenen Spektren verschiedener Autoren sowie die der Modellwolken "C1" und "C5" von DEIRMENDJIAN (1969 bzw. 1975).
Abbildung 5: Tröpfchengrößenverteilungen verschiedener Autoren.
durchgezogene Linien: Verteilungen C1 und C5 von DEIRMENDJIAN (1969 bzw. 1975)
gestrichelte Linien: Messungen in konvektiven Cumuluswolken:
Telford: Verteilung gemessen in 2250 m (TELFORD et al., 1984)
Jensen: Verteilung A von JENSEN et al. (1985)
Meischner: Verteilung der "Wolke II" in 3250 m (MEISCHNER und BÖGEL, 1984)

4.2 Bestimmung der Extinktionsparameter

Zur Berechnung der Extinktionsparameter mit Hilfe der MIE-Theorie muß neben der Tropfengrößenverteilung noch der komplexe Brechungsindex des Tropfenmaterials bekannt sein. Für Wolkentröpfchen setzt sich dieses aus reinem Wasser und den Kondensationskernen, d.h. Aerosolteilchen, zusammen. Da aber in einem typischen Tropfen die Wassermasse das 104 bis 105- fache der Aerosolmasse beträgt und Wasser im terrestrischen Strahlungsbereich stark absorbiert (GRASSL, 1978), wird hier der Brechnungsindex von reinem Wasser (DOWNING und WILLIAMS, 1975) verwendet. Die MIE-Rechnungen zur Bestimmung der Größen w0n, gn und bexn erfolgen mit Hilfe eines von DAVE (1969) entwickelten Unterprogramms. Der spektrale Volumenextinktionskoeffizient bexn wird im folgenden nicht explizit angegeben, sondern nur der spektrale Gang des Verhältnisses zur Referenzwellenlänge c0.55 = 0.55mm, d.h. vn = bexn/bex0.55, betrachtet.
Abbildung 6: Spektrale Variation der Extinktionsparameter w0 (oben) und v (unten) für die in Abb. 5 gezeigten Tröpfchengrößenverteilungen.

Die Abbildung 6 zeigt den Einfluß der unterschiedlichen Tropfenverteilungen auf w0n und vn für die Spektralbereiche der AVHRR-Kanäle. Es ist leicht zu erkennen, daß 
  -
die beiden Extinktionsparameter w0n und vn stark von der Wellenzahl abhängen,
  -
es keine repräsentative Tropfenverteilung gibt,
  -
die Verteilungen "C1" und "Meischner" am stärksten voneinander abweichen.

Mit Hilfe der Abbildung 5 wird klar, warum die Verteilungen "C1" und "Meischner" die größten Unterschiede zeigen: "C1" hat den kleinsten mittleren Tropfenradius (rm = 4.7mm), während die Verteilung "Meischner" mit rm = 12.6mm die größten Teilchen besitzt. Da elektromagnetische Strahlung gerade von solchen Teilchen am stärksten gestreut wird, wenn deren Größe in etwa der Wellenlänge entspricht, sind Extinktionskoeffizient und single scattering albedo für "Meischner" bei Wellenlängen c  ~~ 3.7mm (Kanal 3 ) deutlich höher als für "C1", während dies bei ca. 11mm (Kanäle 4 und 5) gerade umgekehrt ist. Dabei ist der Effekt gering, der durch den meßtechnisch bedingten Abstand der Tropfenradienstützstellen erzeugt wird. Gibt man die Verteilung "C1" nicht kontinuierlich, sondern für diskrete Radien im Abstand von 1mm an, so bleiben die Abweichungen unter 2.5 %. Gegenüber den Auswirkungen der verschiedenen Tröpfchengrößenverteilungen ist das vernachlässigbar.
Die spektrale Variation des Anisotropiefaktors gn ist nur schwach, ein mittlerer Wert ist g = 0.85. Er wird hier nicht näher untersucht, da sein Einfluß auf Strahlungstransportrechnungen nur gering ist. Die spektral aufgelösten Daten findet man in Tabelle 3 im Anhang.

4.3 Flüssigwassergehalt

Die Wahl der Tropfengrößenverteilung einer Modellwolke legt auch deren Flüssigwassergehalt fest. So sind die von DEIRMENDJIAN (1969 bzw. 1975) gegebenen Verteilungen darauf angelegt, 100 Tropfen pro cm3 zu enthalten, womit beispielsweise der Flüssigwassergehalt der Wolke "C1" 0.063 g/m3 beträgt. Dies entspricht ca. einem Zehntel des typischen Wertes für maritime Cumuli (ROGERS, 1979). Die Simulation der natürlichen Variabilität erfordert aber eine größere Schwankungsbreite des Flüssigwassergehaltes als die durch die oben angeführten Tropfenverteilungen gegebene. Dies kann hier einfach durch die Variation der spektralen optischen Dicke t0.55 erreicht werden, da diese für homogene Schichten der Dicke Dx einer planparallelen Atmosphäre über tn(x) = bexn(x) . Dx mit dem spektralen Volumenextinktionskoeffizienten bexn(x) der Schicht x verbunden ist. Bei der Referenzwellenlänge c = 0.55mm ist jener direkt proportional zum Flüssigwassergehalt LWC . Damit gilt auch: LWC (x) ~ t(x). Einer Verdopplung des durch die Tröpfchengrößenverteilung festgelegten Flüssigwassergehaltes entspricht also für die Strahlungsrechnungen die Verdopplung der optischen Dicke. Die Extinktionsparameter w0n, gn und tn/t0.55 bleiben dabei unbeeinflußt. Tabelle 4 zeigt die Auswahl der für Strahlungstransportrechnungen benutzten Werte. Bei der Festlegung des Flüssigwassergehaltes ist zu beachten, daß der Wasserdampfgehalt bei Sättigung für -15oC nur ca. 10 % des Wertes bei +15oC beträgt. Deswegen werden hier Flüssigwassergehalte vorgegeben, die deutlich geringer sind als die aus der Literatur geläufigen Werte für Cumuli in sommerlichen Atmosphären.



Verteilung
LW C[g/m3]
b ex[km-1]



"C1"
0.01
2.7
0.05
13.3



"C5"
0.1
14.9



"Meischner"
0.1
11.5



 
Tabelle 4: Flüssigwassergehalt und Extinktionskoeffizient bei c = 0.55mm für die zur Simulation der Strahlungsübertragung verwendeten Wolken.


Die Beschränkung auf vier verschiedene Wolkensorten ist in Anbetracht natürlicher Variabilität der Atmosphäre etwas dürftig. Der gewählte Bereich des Flüssigwassergehaltes (0.01 - 0.1 g/m3) sowie die Benutzung der Tropfengrößenverteilung "C1" und "M", deren Extinktionsparameter am stärksten voneinander abweichen (vgl. Abb. 6), sollte aber die meisten polaren Grenzschichtwolken einschließen.
Der Flüssigwassergehalt typischer konvektiver Wolken nimmt von der Basis nach oben hin zu, um erst kurz vor der Obergrenze rasch wieder abzufallen (FEIGELSON, 1984). Eine Vorstudie soll den Einfluß eines vertikal variablen Flüssigwassergehaltes auf AVHRR - Messungen abschätzen. Dazu werden die Helligkeitstemperaturen für Wolken berechnet, bei denen alle Parameter bis auf die vertikale Flüssigwasserverteilung konstant gehalten werden, d.h. insbesondere auch jeweils die optische Dicke der gesamten Wolke. Es werden drei Verteilungen modelliert: a) vertikal konstanter Flüssigwassergehalt; b) adiabatischer Flüssigwassergehalt und c) symmetrischer Flüssigwassergehalt, d.h ein adiabatischer Anstieg bis zur Wolkenmitte und von dort ein spiegelsymmetrischer Abfall bis zur Oberkante. Die Abbildung 7 zeigt die Auswirkungen auf die Helligkeitstemperaturen der Kanäle 3, 4 und 5 bzw. deren Differenzen für Wolken verschiedener optischer Dicke t0.55.
Abbildung 7: Auswirkung unterschiedlicher Flüssigwasservertikalprofile auf Helligkeitstemperaturen der AVHRR - Kanäle 3, 4 und 5 (T3, T4, T5; linke Ordinate) bzw. die Kanaldifferenzen (rechte Ordinate).

Für kleine Werte von t0.55 sind die Unterschiede der Helligkeitstemperaturen auf Grund der Flüssigwasserverteilung klein, wachsen aber auf 0.4 K für optisch dickere Wolken an. Höhere Differenzen sind zu erwarten, wenn man Wolken mit größerer geometrischer Dicke als die hier benutzten 500 m betrachtet, weil dann größere Temperaturunterschiede in den verschiedenen Wolkenteilen auftreten. Trotzdem sind die durch unbekannte vertikale Flüssigwasserverteilung erzeugten Unsicherheiten in einer Wolke im Vergleich zu denen klein, die durch unterschiedliche Tröpfchengrößenverteilungen verursacht werden. Wie Abbildung 7 zeigt, liegen die Werte für konstanten Flüssigwassergehalt zwischen denen der variablen Typen. Im folgenden wird deswegen der Flüssigwassergehalt einer Wolke vertikal konstant gehalten.

4.4 Wolkengeometrie

Die vom eindimensionalen Strahlungsübertragungsmodell berechneten Werte sind streng genommen nur für unendlich ausgedehnte, planparallele Wolken gültig. Die hier untersuchten konvektiven Grenzschichtwolken haben aber meist die Form mehr oder weniger hoher Türme. Wie HARSHVARDHAN und WEINMAN (1982) zeigen, kann die gegenseitige Strahlungsbeeinflussung von kubischen Wolken in einem dreidimensionalen Wolkenfeld im Langwelligen vernachlässigt werden, wenn die optische Dicke der Einzelwolken in allen Dimensionen größer als 10 ist. In jener Arbeit wird aber auch deutlich, daß dies ebenfalls für dünnere Wolken gilt, wenn der Bedeckungsgrad des untersuchten Feldes gegen 1 geht. Da dies bei der Analyse vollbewölkter Pixel immer erfüllt ist, kann hier die Interaktion der Wolken untereinander vernachlässigt werden. Im folgenden wird der Einfluß des Radiometerblickwinkels auf Turmwolken untersucht. Modelliert wird der Blick auf zweidimensionale rechteckige Wolken. Beim Nadirwinkel wird nur der glatte Wolkenoberrand erfaßt, bei geneigtem Blick sowohl ein Teil des Oberrandes als auch der Seitenkante. Die vertikale Mächtigkeit der Wolken beträgt konstant 2 km, während die Breite variiert wird. Abbildung 8 zeigt die Differenzen der Helligkeitstemperaturen von verschieden geneigter und senkrechter Blickrichtung. Unter Berücksichtigung des geometrischen Auflösungsvermögens des AVHRR (ca. 1 km), werden Wolken in vollbewölkten Pixeln im ungünstigen Fall in etwa durch die Kurve mit dem Aspektverhältnis 1 beschrieben. Ein Fehler von mindestens 1 K ist also einzukalkulieren, wenn der Blickwinkel größer als 25o wird. Für Wolken mit größerem Aspektverhältnis reagieren die Helligkeitstemperaturen nur wenig auf den Blickwinkel, während Turmwolken mit Aspektverhältnissen « 1 schon bei kleinen Blickwinkeln zu hohen Abweichungen von der Nadirstrahldichte führen. Wegen ihrer geringen horizontalen Ausdehnung verursachen solche Wolken aber teilbewölkte Pixel. In Kapitel 8 wird ein Verfahren beschrieben, mit dem teilbewölkte Pixel erkannt werden können, wodurch solche Fehler vermeidbar sind.
Abbildung 8: Differenzen der Helligkeitstemperaturen zwischen geneigtem und senkrechtem Blick auf zweidimensionale Wolken. Die Temperatur beträgt 270 K an der Wolkenbasis und 258 K an der Oberkante, bei einer vertikalen Mächtigkeit von 2 km und linearem Temperaturprofil. Für rechteckige Wolken ist das Aspektverhältnis Breite/Höhe als Parameter angegeben; zusätzlich sind die Werte für eine halbkugelförmige Wolke eingetragen. Berechnet wurden die Helligkeitstemperaturen für 10mm unter der Annahme schwarzer Oberflächen (w0 = 0).



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