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5 Modellparameter

Die am Außenrand der Atmosphäre ankommende Wärmestrahlung wird außer durch Wolken vor allem durch folgende Faktoren beeinflußt:

  -
Temperatur und Emissionsvermögen der Wasseroberfläche,
  -
Extinktion und Emission durch Aerosole,
  -
Absorption und Emission der atmosphärischen Gase.

Der Einfluß dieser Größen auf die Strahlungsübertragung muß im Modell berücksichtigt werden. Sie sind dabei so zu variieren, daß die Rechnungen den Bereich aller wahrscheinlichen Situationen mit polaren Kaltluftausbrüchen abdecken. Dies geschieht hier dadurch, daß ein atmosphärischer Datensatz erstellt wird. Er gibt einerseits typische Verhältnisse wieder (Aerosole, Druck-, Temperatur- und Feuchteprofile) und umfaßt andererseits eine große Anzahl verschiedener Wolkenbasishöhen und Wolkendicken. Für jede dieser einzelnen Atmosphären des Datensatzes werden die Strahldichten der Kanäle 3, 4 und 5 berechnet. Der Zusammenhang zwischen vorgegebener Wolkenbasistemperatur und den für den Außenrand der Atmosphäre simulierten Strahldichten wird in Kapitel 8 untersucht.

5.1 Wasseroberflächen

Wie bereits in Kapitel 3.2.3 beschrieben, ist die untere Modellberandung durch eine ebene Fläche aus reinem Wasser gegeben. Wellen verändern aber das mittlere Emissionsvermögen einer Oberfläche, da die Beziehung zwischen dem Winkel, unter dem eine ebene Wasserfläche betrachtet wird, und dem zugehörigen Emissionsvermögen nichtlinear ist. Außerdem hängt dieses nur von der Abweichung des Blickwinkels von der Senkrechten (Nadir) ab, so daß sich beispielsweise die Neigungswinkel +10o und -10o nicht aufheben, sondern beide den gleichen Einfluß haben. LLEWELLYN-JONES et al. (1984) weisen darauf hin, daß dieser Effekt für die Infrarotfernerkundung bis zu einer Windgeschwindigkeit von 15 m/s vernachlässigbar ist. Bei den in dieser Arbeit betrachteten Kaltluftausbrüchen können aber leicht höhere Windgeschwindigkeiten auftreten. COX und MUNK (1954) entwickelten eine lineare Beziehung zwischen der quadratischen mittleren Neigung einer Wasseroberfläche und der Windgeschwindigkeit in 10 m Höhe. Danach ergibt sich bei einer Windgeschwindigkeit von 30 m/s eine mittlere Neigung von 21.6o. Für ähnliche Geschwindigkeiten erwartet HULBURT (1934) eine maximale Neigung von 25o. Um noch höhere Windgeschwindigkeiten zu berücksichtigen, wird für eine einfache Überschlagsrechnung die maximale Neigung einer sinusförmigen Welle mit 30o angenommen. Ihre mittlere Neigung erhält man aus:
                integral 
--         --1-  p/2 -d-                      --a-
a = arctan(p/2   0  (dx a . sinx) dx) = arctan(p/2 )
(14)

Aus amax = 30o ergibt sich für die Amplitude a  ~~ 0.577 und somit --
æ  ~~ 20.2o. Tabelle 5 zeigt, wie sich das Emissionsvermögen von Wasser für einige Winkel und Wellenzahlen nach den FRESNEL - Formeln verändert. Außerdem ist angegeben, in welcher Art sich die Strahldichten I und Helligkeitstemperaturen T im Bezug auf eine senkrecht betrachtete Wasserfläche bei der Temperatur SST = 280 K vermindern.






Kanal
Wellenzahl [cm-1]
a [o]
e n
I(0)I-(0I)(a) [%]
T(0) - T(a) [K]






3
2700
0
0.9727
0
0
3
2700
20.2
0.9723
0.04
0.008
3
2700
21.6
0.9725
0.04
0.008






4
950
0
0.9916
0
0
4
950
20.2
0.9914
0.02
0.011
4
950
21.6
0.9915
0.01
0.01






5
845
0
0.9868
0
0
5
845
20.2
0.9864
0.04
0.025
5
845
21.6
0.9866
0.02
0.013






  
Tabelle 5: Spektrales Emissionsvermögen en der mit dem Winkel a geneigten Wasserflächen (0o entspricht dem Nadirblickwinkel) im Bereich der AVHRR-Kanäle 3, 4 und 5. Das Emissionsvermögen bei a = 0o und a = 21.6o gilt für geneigte ebene Flächen, während für den mittleren Neigungswinkel a = 20.2 das einer sinusförmigen Welle mit einer maximalen Neigung von 30o beschrieben wird.
Es ist zu sehen, daß das Emissionsvermögen einer ebenen, aber mit a = 21.6o geneigten Wasseroberfläche größer ist als das der sinusförmigen mit der mittleren Neigung --
æ = 20.2o. Wegen der exponentiellen Abnahme des Emissionsvermögens mit dem Neigungswinkel werden aber die Oberflächenelemente der Sinuswelle mit a > --
æ stärker gewichtet als jene mit a < æ-.
Die Tabelle 5 zeigt deutlich, daß der Welleneinfluß sehr gering ist. Auch die bei hohen Windgeschwindigkeiten auftretenden Schaumkronen werden wegen ihrer Struktur das Emissionsvermögen im Langwelligen eher steigern, so daß die Windgeschwindigkeit hier nicht weiter berücksichtigt werden muß.

5.2 Aerosole

Das Extinktions - und Emissionsverhalten von Aerosolteilchen ist bei der Berechnung von Strahldichten in der unbewölkten Atmosphäre zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn wie bei Kaltluftausbrüchen die Temperatur des Aerosols wesentlich niedriger ist als die des Wassers. Aus den Messungen des AVHRR können aber z.Z. noch keine Informationen über Aerosoltypen abgeleitet werden. Für alle Rechnungen wird hier deswegen dasselbe Aerosolmodell verwendet (McCLATCHEY, 1972). Die Sichtweite am Boden beträgt darin 23 km. Die vertikale optische Dicke der gesamten Aerosolschicht ist mit t0.55 = 0.2 etwas höher als sie typischerweise in Kaltluftmassen angetroffen wird. Der zu erwartende Fehler durch davon abweichende Aerosolsorten ist aber hier nur klein, weil die polaren Grenzschichtwolken einen wesentlich stärkeren Einfluß auf die Strahlungsübertragung haben. Die aus den McCLATCHEY - Daten abgeleiteten spektralen Werte für w0n und tn/t0.55 des verwendeten Aerosolmodells findet man im Anhang, Tabelle 3.

5.3 Transmission der Gase

Die Streuung an Gasmolekülen kann im langwelligen Strahlungsbereich vernachlässigt werden. Die Transmission der Gase wird von der Linien - und Kontinuumsabsorption bestimmt. Im Modell werden Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Ozon (O3), Lachgas (N2O), Kohlenmonoxid (CO) und Methan (CH4) berücksichtigt. Die verwendeten Volumenmischungsverhältnisse der gleichmäßig durchmischten Gase zeigt Tabelle 6. Es ist zu beachten, daß diese etwas von neuesten Werten (HOUGHTON et al., 1990) abweichen.





Gas
CO2
N2O
CO
CH4





Modell
340
0.33
0.13
1.54
HOUGHTON et al. (1990)
353
0.31
1.72





Tabelle 6: Volumenmischungsverhältnisse der gleichmäßig durchmischten Gase in ppm.
Die höhenabhängigen Werte der Ozonkonzentration werden durch Mittellung der subarktischen Profile von McCLATCHEY (1972) vorgegeben, während die Wasserdampfprofile aus einzelnen Radiosondenaufstiegen stammen.
Die Transmissionsfunktion zur Berechnung der Linienabsorption muß für die Matrix-Operator-Methode in Form des LAMBERTschen Gesetzes vorliegen. Für die spektralen Intervalle des Modells ist dies durch Entwicklung der Transmissionsfunktionen in Exponentialreihen möglich:
          6
Tr (m) =  sum   a . exp(- b . m)
  n       i=1  i        ni
(15)

Dabei ist m die Absorbermenge in g/cm2 . Die Koeffizienten a i und bni sind von SCHLÜSSEL (1986) für verschiedene Temperaturbereiche bestimmt worden. Nach Linie-für-Linie Rechnungen der Transmissionen aus Absorptionslinienparametern hat er die Exponentialreihen an die für die Spektralintervalle gemittelten Transmissionsfunktionen angepaßt. Die Koeffizienten ai sind auf 1/6 für alle i gesetzt. Eine umfassendere Beschreibung dieses Verfahrens liefert SCHLÜSSEL (1986).
Neben der Linienabsorption aller Gase muß noch die Kontinuumsabsorption des Wasserdampfes berücksichtigt werden. Die hier benutzte Behandlung dieses Problems schildert GRASSL (1976). Die verwendeten Daten des zugehörigen Absorptionskoeffizienten kn (Tab. 3 im Anhang) stammen für den Fensterbereich (8 - 13 mm) von GRASSL (1976), während sie außerhalb aus Daten von BIGNELL (1970) interpoliert werden. Wegen des geringen Wasserdampfgehaltes in den Polargebieten haben kleinere Ungenauigkeiten in kn aber nur geringe Bedeutung.

5.4 Variation der Wolkenparameter

In Kapitel 4 sind die optischen Parameter für vier verschiedene Wolkensorten festgelegt worden. Zur Erstellung eines statistisch ausreichenden Datensatzes, der den natürlichen Variationsbereich gut abdeckt, müssen Wolken unterschiedlicher geometrischer und optischer Dicke sowie mit verschiedenen Temperaturen modelliert werden.
Für die vertikale Erstreckung kann man folgende Grenzen festlegen: Die Mindestdicke beträgt 100 m, da in konvektiven Situationen nicht damit zu rechnen ist, daß Wolken geringerer Mächtigkeit sich horizontal über mindestens 1 km2 erstrecken. Dies ist aber das Auflösungsvermögen des AVHRR und es sollen keine teilbewölkten Pixel betrachtet werden. Die Wolkenbasistemperatur hat nur dann Einfluß auf die vom Satelliten gemessenen Strahldichten, wenn die Wolke im betrachteten Spektralbereich einerseits dick genug ist, um die Ozeanstrahlung genügend zu schwächen und selbst abzustrahlen. Andererseits darf sie nicht so dick sein, daß die Strahlung aus tiefen Wolkenschichten von den darüberliegenden vollständig extingiert wird und der Satellit nur Emissionen der oberen Wolkenteile empfängt. Der zu modellierende Bereich optischer Dicken ist also auf solche semitransparenten Wolken einschränkbar. Die Abbildung 9 zeigt, welche optischen Dicken interessant sind.
Abbildung 9: Einfluß der optischen Dicke t0.55 von Wolken auf die Differenz der Helligkeitstemperaturen. Modelliert ist der Wolkentyp "C1" in einer polaren Atmosphäre und T = 278 K an der Ozeanoberfläche für unterschiedlich mächtige Wolken. Die Wolkenbasis ist konstant in einem Niveau mit T = 256 K.

Dargestellt sind die Helligkeitstemperaturdifferenzen der drei AVHRR Kanäle für verschieden dicke Wolken. Für große optische Dicken wird die Helligkeitstemperatur nur durch die Emission der oberen Wolkenkappe bestimmt. Da (1 - w0n) als Maß für das Emissionsvermögen der Wolke bei Kanal 4 und 5 ähnlich ist, liegt die Kanaldifferenz T4 - T5 nahe bei Null. Im Kanal 3 ist w0n größer (vgl. Abb. 6) und das Emissionsvermögen deswegen kleiner als bei Kanal 4 und 5, somit sind die Differenzen T3 - T4 und T3 - T5 für optisch dicke Wolken negativ. Sie bleiben aber in etwa konstant, solange keine Strahlung vom warmen Untergrund die Wolke durchdringen kann. Erst wenn die Wolken so dünn sind, daß wegen der höheren diffusen Transmission im Kanal 3 schon warme Ozeanstrahlung zum Satelliten gelangt, verändern sich die Kanaldifferenzen mit unterschiedlichen optischen Dicken. Die Abbildung 9 zeigt, daß semitransparente Wolken nur für t0.55 < 20 erwartet werden können. Dieser Wert wird deshalb als obere Grenze für die Modellierungen gewählt.
Die Temperatur der verschiedenen Wolkenbereiche ist für die emittierte Strahlung von wesentlich größerer Bedeutung als eine unterschiedliche Wasserdampfverteilung in unbewölkten Atmosphärenschichten. Aus Rechenzeitgründen werden deswegen hier nur drei unterschiedliche Druck-Temperatur-Feuchteprofile (pTF-Profile) zugrundegelegt. Es sind dies die Radiosondendaten des Wetterschiffs M (60o Nord, 2o Ost) vom 26.1.1978 und 2.12.1980 sowie das pTF-Profil aus Schleswig vom 11.1.87 (siehe Anhang). An allen drei Terminen lagen die Stationen in Bereichen kräftiger Kaltluftausbrüche polarer bzw. kontinentaler Luftmassen, die über dem Wasser zur Bildung zellularer Bewölkung führten. Für die Simulation der Strahlungsübertragung werden in diese Profile Wolken mit unterschiedlicher Basishöhe (und damit Basistemperatur) und vertikaler Erstreckung eingebaut. Die Temperatur der Wasseroberfläche wird mit 0o C, 4o C, 8o C und 12o C variiert. Die pTF-Profile werden gegenüber den Meßdaten aber nicht verändert. Insgesamt ergeben sich 1196 unterschiedliche Bedingungen, die in den folgenden Kapiteln zusammen mit den zugehörigen Strahlungstransportergebnissen als der Datensatz bezeichnet werden. Die Tabelle 7 zeigt die Parametervariationen im Überblick.


SST [o C]
0, 4, 8, 12
Tröpfchengrößenverteilungen
C1, C5, Meischner
Flüssigwassergehalt [g/m3]
0.01, 0.05, 0.1 (nach Verteilung)
Höhe der Wolkenbasis [m]
100, 300, 500, 700, 900, 1100
Wolkendicke [m]
100, 400, 700, 1000
pTF-Profile
Radiosondendaten: 2 * WS-M, 1 * Schleswig


  
Tabelle 7: Wertevorgaben der Modellparameter.

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