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11 Wolkenbasistemperatur  und  Bodenstrahlungsbilanz

Die Parametrisierung der langwelligen Nettostrahlungsflußdichte an der Ozeanoberfläche mit Hilfe von bulk - Formeln erfordert die Kenntnis der Größen Wasseroberflächentemperatur SST, bodennahe Lufttemperatur TL und bodennaher Dampfdruck eL, sowie von Parametern zur Berücksichtigung der Bewölkung (FUNG et al., 1984). Die Wolkenbasistemperatur TB geht in diese Formeln, die sich auf konventionelle Bodenmessungen stützen, nicht ein, so daß mit ihnen keine Abschätzung des Einflußes von TB auf die Strahlungsflußdichten möglich ist.
GUPTAs Ansatz (1989) zur Abschätzung der abwärts gerichteten Strahlungsflußdichte F |, für teilbewölkte Situationen lautet:

  |, 
F  = C1 + C2 . Ac
(37)
mit
C2 = F2  |, -F1  |, und
C1 = F1  |, = abwärts gerichtete Strahlungsflußdichte bei klarem Himmel
F2  |, = abwärts gerichtete Strahlungsflußdichte bei völlig bedecktem Himmel
Ac = Bedeckungsgrad (0 < Ac < 1).
Zur Ableitung von F1  |, und F2  |, aus TOVS-Daten parametrisiert GUPTA: C2 = TB4/f(W c), wobei f(Wc) eine Funktion des Wasserdampfgehaltes unterhalb der Wolke ist. Mit einem für Kaltluftausbrüche realistischen Wert von Wc = 0.5cm precipitable water ergibt sich für TB = 260K ein C2 = 72.2W/m2 und für T B = 259K C2 = 71.1W/m2. Ein Fehler von 1 K in der Bestimmung von TB bedeutet danach also bei völlig bedecktem Himmel in etwa einen Fehler von 1W/m2 in der abwärts gerichteten Strahlungsflußdichte am Boden.
Um zu erfahren, ob diese Werte auch für die hier untersuchten polaren Grenzschichtwolken gelten, werden mit der in Kapitel 3.2.2 vorgestellten Programmversion einige Strahlungstransportrechnungen für Kaltluftausbrüche durchgeführt. Abbildung 28a zeigt, daß die Änderung der abwärts gerichteten Strahlungsflußdichte an der Ozeanoberfläche mit der Wolkenbasistemperatur auch von der optischen Dicke der Wolken abhängt. Sie beträgt für dünne Wolken (t0.55 = 2) etwa 1.7 W/(m2K), bei t 0.55 = 20 dagegen 2.2 W/(m2K). Diese Werte gelten sowohl für die relativ warme Atmosphäre vom Wetterschiff-M mit TL(0) = 271K als auch für die kalte subarktische Standardatmosphäre (TL(0)  -~ 257K).
Abbildung 28a:
Auswirkung einer um DTB veränderten Wolkenbasistemperatur auf die abwärts gerichtete Strahlungsflußdichte an der Ozeanoberfläche.
S: Atmosphärenprofil "Subarctic Winter" (McCLATCHEY et al., 1972)
M: Atmosphärenprofil gemessen vom Wetterschiff-M am 26.1.78 um 12 Uhr
Kurvenparameter ist die optische Dicke t0.55 der mit einer Basishöhe von 600 m berücksichtigten Wolken.

Die Abhängigkeit der abwärts gerichteten Strahlungsflußdichte von TB ist also bis zu 100% größer als bei GUPTAs Parametrisierung. Der Grund dafür sind einerseits die hier untersuchten kalten Atmosphären und andererseits die vergleichsweise geringe Höhe der Wolkenbasis. GUPTA ließ diese für niedrige Wolken zufällig verteilt unterhalb von ca. 2.5 km (p = 700 hPa) variieren. Der Beitrag einer Wolke zu den Strahlungsflußdichten am Boden ist aber wegen des maskierenden Einflusses der Gase außerhalb des Fensterbereiches um so geringer, je höher diese liegt. So ist bei polaren Kaltluftausbrüchen wegen der relativ geringen Wolkenhöhen die Basistemperatur für Abschätzungen der Strahlungsflußdichten am Boden im Spektralbereich außerhalb des langwelligen Fensters genauso wichtig wie im Fensterbereich. Aus Abbildung 28b ist zu erkennen, daß in diesen beiden Spektralbereichen die Veränderung der Nettostrahlungsflußdichten am Boden mit TB in der gleichen Größenordung liegt.

Abbildung 28b:
Wie a), aber für die Änderung der Netto strahlungsflußdichte am Boden.
gesamt: langwelliger Spektralbereich (200 - 2300 cm-1)
Fenster: Infrarotfenster (800 - 1200 cm-1)
nicht Fenster: Bereich außerhalb des Infrarotfensters (200 - 800 cm-1 und
1200 - 2300 cm-1)

Die berechneten Werte der Nettostrahlungsflußdichten an der Ozeanoberfläche selbst zeigt Abbildung 28c.

Abbildung 28c:
Wie a), aber für die Netto strahlungsflußdichte an der Ozeanoberfläche.

Da für alle Simulationen die Temperatur der Wasseroberfläche mit 274.0 K angenommen wurde und das Reflexionsvermögen des Wassers im Langwelligen sehr gering ist (ca. 2%), liegt der Unterschied zu Abbildung 28a nahezu nur in einer konstanten Verschiebung der Kurven.
GUPTA gibt die Genauigkeit in der Bestimmung des Drucks des Wolkenbasisniveaus aus TOVS-Daten mit ±100 hPa an, was bei einem trockenadiabatischen Temperaturgradienten der Grenzschicht in etwa DTB = ±8oC entspricht. Die in dieser Arbeit durchgeführten Modellrechnungen und der Vergleich mit Radiosondendaten ergeben einen Standardfehler in der Ableitung der Wolkenbasistemperatur < 2oC für Nachtbedingungen. Wie Abbildung 28b zeigt, bedeutet dies für die Fernerkundung der langwelligen Nettostrahlungsflußdichte an der Ozeanoberfläche, daß der Wolkeneinfluß höchstens noch 5 W/m2 Fehler verursacht.

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