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12 Schlußbetrachtung

Die Fernerkundung der langwelligen Nettostrahlungsflußdichten an der Ozeanoberfläche von Satelliten aus erfordert in bewölkten Situationen eine möglichst genaue Abschätzung der Temperatur der Wolkenbasis. In Situationen polarer Kaltluftausbrüche ist der Wolkeneinfluß auf die abwärts gerichteten Strahlungsflußdichten wegen des niedrigen Wasserdampfgehaltes der unteren Atmosphäre und der geringen Wolkenhöhen besonders groß. So erhöht sich diese Strahlungsflußdichte bei einer Anhebung der Wolkenbasistemperatur um 1oC typischerweise um 1.7 bis 2.2W/m2.
In dieser Arbeit wurde mit Hilfe eines Strahlungsübertragungsmodells gezeigt, daß für Situationen mit konvektiver Bewölkung über dem Ozean die Temperatur der Wolkenbasis allein aus AVHRR-Daten abgeleitet werden kann. Für Tag- und Nachtüberflüge sind dazu unterschiedliche Verfahren entwickelt worden. Die statistische Auswertung der Modellergebnisse ergibt für das Nachtverfahren einen Standardfehler kleiner als 2oC und für das Tagverfahren kleiner als 4oC. Anwendungen dieser theoretisch abgeleiteten Verfahren auf Meßdaten des AVHRR liefern Wolkenbasistemperaturen, die bei Vergleichen mit den aus Radiosondenmessungen bestimmten Temperaturen des Hebungskondensationsniveaus für das Nachtverfahren ebenfalls Standardabweichungen kleiner als 2oC zeigen. Mit dem Tagverfahren wird nur ein Fallbeispiel ausgewertet, wobei die Abweichungen zwischen Satelliten- und Radiosondentemperaturen innerhalb des vorhergesagten Rahmens liegen.
Der Vorteil des Nachtalgorithmus gegenüber dem Verfahren bei Tage liegt vor allem in der Auswertung des bei 3.7mm liegenden AVHRR-Kanals, der tagsüber wegen des Zusammenspiels von reflektierter Sonnenstrahlung und thermischer Emission nicht sinnvoll benutzt werden kann. Die technisch bedingte zeitweise schlechte Qualität seiner Daten kann durch einen Korrekturalgorithmus verbessert werden, wobei aber nicht die Güte der anderen Infrarotkanäle erreicht wird.
Als Voraussetzung für eine Bestimmung der Basistemperatur erweist sich eine sorgfältige Auswahl der zu analysierenden Bildelemente. Mit Hilfe von Quotienten der spektralen Strahldichten aus den drei infraroten AVHRR-Kanälen ist es möglich, vollständig mit semitransparenten Wolken gefüllte Pixel zu erkennen. Für diese Wolken kann eine Klasseneinteilung bezüglich ihrer optischen Dicke vorgenommen werden, weil sie noch meßbare Strahlung der Ozeanoberfläche zum Satelliten durchlassen. Die Temperatur der Wasseroberfläche muß als Randbedingung bekannt sein. Dies reduziert die Anwendbarkeit der Verfahren auf Gebiete mit durchbrochener Bewölkung, weil dort die Fernerkundung der SST in wolkenfreien Pixeln möglich ist. Hierfür wird ein split-window - Algorithmus an die winterlichen Verhältnisse der mittleren und hohen Breiten angepaßt.
Einige Abschätzungen des Einflusses von polaren Grenzschichtwolken auf die langwelligen Strahlungsflußdichten an der Ozeanoberfläche zeigen, daß die abwärts gerichtete Komponente bei Kaltluftausbrüchen und Anwesenheit niedriger Wolken bis zu 90 W/m2 größer ist als bei klarem Himmel. Auf eine Änderung der Wolkenbasistemperatur reagieren die Beiträge aus dem Spektralbereich des langwelligen Fensters (8 - 13 mm) am stärksten, jedoch liegen die Veränderungen des Anteils von den Regionen außerhalb dieses Bereiches in der gleichen Größenordnung. Eine Unsicherheit von 20C in der Bestimmung der Wolkenbasistemperatur bedeutet für die Fernerkundung der langwelligen Nettostrahlungsflußdichte an der Ozeanoberfläche einen Variationsbereich von weniger als 5 W/m2.
Die hier angegebenen Genauigkeiten in der Bestimmung der Wolkenbasistemperatur sind aber nur durch räumliche Mittelungen über Gebiete von etwa 50 * 50 km zu erreichen; die Auswertung einzelner Pixel zeigt dagegen eine deutlich höhere Schwankungsbreite. Dies liegt zum einen an der eindimensionalen Struktur des verwendeten Strahlungsübertragungsmodells. Die damit modellierten planparallelen Wolken sind für die teilweise stark strukturierten Grenzschichtwolken eine zu starke Vereinfachung. Zum anderen standen für die Modellierung keine Messungen von Tropfengrößenspektren polarer Cumuli zur Verfügung. In Einzelfällen werden die tatsächlichen Wolkentropfengrößenverteilungen so weit außerhalb des modellierten Bereiches liegen, daß größere Differenzen in den abgeleiteten Temperaturen unvermeidbar sind.
Die Messungen solcher Spektren bei zukünftigen Feldexperimenten in Gebieten polarer Kaltluftausbrüche gibt die Chance zur Entwicklung von Algorithmen, die aus Fernerkundungsdaten einen Rückschluß auf die Mikrostruktur der betrachteten Wolken zulassen. Damit ergibt sich die Möglichkeit solche Wolken zu erkennen, die sich stark vom hier modellierten Bereich unterscheiden. Die verschiedenen Fernerkundungsverfahren können dann besser an die Wolkentypen angepaßt werden, wodurch deutlich geringere Fehler in den abgeleiteten Parametern zu erwarten sind.



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