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1 Einleitung

Die Wechselwirkung zwischen Ozean und Atmosphäre spielt für viele Prozesse des Wetter- und Klimageschehens eine entscheidende Rolle. Dabei sind besonders solche Situationen von Interesse, in denen sich die Temperatur der Wasseroberfläche stark von der der unteren Luftschichten unterscheidet. Diese Wetterlagen führen zu einem intensiven Energieaustausch durch Flüsse fühlbarer und latenter Wärme sowie durch langwellige Strahlung.
Eine direkte Messung dieser verschiedenen Flüsse ist sehr schwierig, jedoch ist ihre Abschätzung aus den Daten konventioneller Meßmethoden für Temperatur, Feuchte und Strahlung mit bulk-Formeln möglich. Für eine regelmäßige und globale Erfassung der Parameter reichen diese Messungen aber zumindest über dem Ozean wegen der zu geringen Zahl an Meßstationen nicht aus. Das Weltklimaprogramm fordert zum Beispiel für außertropische Ozeane die monatliche Bestimmung der Nettostrahlungsflußdichten am Boden auf 5o × 5o-Gittern mit einer Genauigkeit von 10 W/m2 (WCP-115, 1986). Insbesondere für die polaren Regionen ist eine Erfüllung dieser Anforderungen nur durch die Auswertung der Daten satellitengestützter Meßsysteme zu erwarten.
Eine Komponente der langwelligen Strahlungsbilanz, nämlich die aufwärts gerichtete Strahlungsflußdichte an der Ozeanoberfläche, ist bei Kenntnis der Wasseroberflächentemperatur (SST = sea surface temperature) leicht abzuschätzen, und deren Ableitung ist aus Satellitendaten seit McCLAIN et al. (1983) mit ausreichender Genauigkeit möglich. Während für wolkenlose Situationen auch bereits gute Ansätze zur Bestimmung der abwärts gerichteten langwelligen Strahlungsflußdichte aus Satellitendaten bestehen (z.B. SMITH und WOOLF, 1983; MORCRETTE und DESCHAMPS, 1986), bereitet deren Ableitung bei teil- und vollbewölkte Lagen noch deutliche Schwierigkeiten. GUPTA (1989) gibt als Hauptprobleme die Bestimmung des Bedeckungsgrades sowie die mit ±100 hPa zu unsichere Festlegung des Wolkenbasisniveaus an. Für die Nettostrahlungsflußdichte am Boden muß nach FUNG et al. (1984) mit Fehlern von mehr als 20 W/m2 gerechnet werden, wenn für den Druck an der Wolkenunterkante statt 950 hPa nur 900 hPa angesetzt werden. Der Grund dafür ist die an das Druckniveau gekoppelte Schätzung der Wolkenbasistemperatur und die damit verbundene Unsicherheit in der Bestimmung der Gegenstrahlung. Das Ziel dieser Arbeit ist deswegen die direkte Ableitung der Temperatur des Wolkenbasisniveaus aus Satellitendaten.
Die natürliche Variabilität der Wolkenparameter sowie aller anderen Größen, die die Strahlungsübertragung von der Atmosphäre in den Weltraum beeinflussen (z.B. vertikale Wasserdampf- und Temperaturprofile), bedeuten für die Entwicklung eines global gültigen Fernerkundungsverfahrens erhebliche Schwierigkeiten. Die Beschränkung auf Situationen polarer Kaltluftausbrüche, deren konvektive Grenzschichtbewölkung leicht auf Satellitenbildern zu erkennen ist, erscheint dagegen vielversprechend, denn:

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diese Situationen sind wegen der intensiven Wechselwirkung zwischen Ozean und Atmosphäre für das Klimasystem besonders wichtig,
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der geringe Wasserdampfgehalt in den polaren Regionen erhöht die Bedeutung der Basistemperatur niedriger Wolken für den abwärts gerichteten Fluß langwelliger Strahlung,
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wegen der bei Kaltluftausbrüchen gut durchmischten Grenzschicht ist das Wolkenbasisniveau wohl definiert und die zugehörige Temperatur variiert innerhalb kleinerer Regionen nur wenig.

In Abbildung 1 ist schematisch dargestellt, wie der Algorithmus zur Bestimmung der Wolkenbasistemperatur abgeleitet wird. Die Arbeit besteht im wesentlichen aus zwei Teilen:
Modellierung: Mit Hilfe eines Strahlungsübertragungsmodells (SÜM) kann für verschiedene Wolkenbasistemperaturen (TB) die von einem Satelliten meßbare Strahldichte simuliert werden (Kapitel 3). Durch Vorgabe einer großen Anzahl unterschiedlicher atmosphärischer und wolkenphysikalischer Parameter wird ein für polare Kaltluftausbrüche repräsentativer Datensatz erstellt (Kapitel 4 und 5). Das SÜM berechnet dann für jede Modellatmosphäre die Strahldichten an deren Außenrand. Die Ergebnisse werden mit verschiedenen Methoden darauf untersucht, ob zwischen vorgegebenen Wolkenbasistemperaturen und zugehörigen Strahldichten ein erkennbarer Zusammenhang besteht (Kapitel 8). Die Formulierung eines solchen Zusammenhangs wird als "Ansatz für TB" bezeichnet.
Anwendung: Die Meßdaten eines Satelliten, aufgenommen über verschiedenen Situationen polarer Kaltluftausbrüche, werden aufbereitet (Kapitel 2), um den aus der Modellierung entstandenen Ansatz zu überprüfen. Dabei sind als Zwischenprodukte verschiedene Hilfsgrößen abzuleiten, z.B. die SST (Kapitel 7) und die optische Dicke der betrachteten Wolken. Der "Ansatz für TB" wird auf die Strahldichten der als geeignet klassifizierten Wolken angewendet (Kapitel 9). Nach dem Vergleich mit anderen Meßmethoden (Hebungskondensationsniveau aus Radiosondenmessungen, Kapitel 10) ist eine Abschätzung der Genauigkeit des gesamten Algorithmus zur Ableitung der Wolkenbasistemperatur möglich.


Abbildung 1: Entwicklung eines Verfahrens zur Ableitung der Wolkenbasistemperatur
aus Satellitendaten.


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