Klastische Systeme
Prozesse im Schelf-System
Schelfe sind die Flachwasserbereiche, die zwischen Land und offenem Ozean, d. h. einen Gürtel um die Kontinente bilden. Ihre äußere Kante liegt im Durchschnitt bei 150 m Wassertiefe. Sie repräsentieren das reichste Ökosystem im Ozean unserer Erde und sind deshalb sowohl ökonomisch (Fischerei) als auch ökologisch von großem Wert. Große Teile der Schelfe sind sehr flach und damit besonders empfindlich für die Wasserbewegung von Wellen, Tiden, Stürmen und Meeresströmungen. Von Land erhalten sie eine beträchtliche Menge von siliziklastischen und organischen Sedimenten. Dieses Material wird im sedimentären Schelfsystem sortiert, transportiert, abgelagert und häufig auch wieder aufgearbeitet. Damit wirken die Schelfe wie Vorfilter für das wenige Material, das letztendlich im tiefen Ozean ankommt. Außerdem wird auf dem Schelf entschieden, ob eine Küste stabil ist, sich vorbaut oder gar erodiert wird. Durch seine geringen Wassertiefen ist der Schelf aber auch sehr anfällig für Meeresspiegelschwankungen und die häufigen tieferen Meeresspiegel in der Vergangenheit haben bewirkt, dass weite Teile der Flachwasserbereiche zu diesen Zeiten exponiert gewesen sind.


Entwicklungsdynamik von Schlammdepozentren
Die Ablagerung von Sedimenten ist ein komplexer und dynamischer Prozess, da eine ganze Reihe von Faktoren - wie etwa die Position des Meersspiegels, die tektonischen Rahmenbedingungen, die Morphologie des Meeresbodens, der Sedimenteintrag und das hydrodynamische Regime - diese Ablagerung kontrollieren. Einige generelle Muster sind bereits gut untersucht, z.B. dass der deglaziale Meeresspiegelanstieg zu einer verstärkten Abtragung und Umlagerung von Sedimenten und zu einer landwärtigen Verlagerung von Faziesgürteln führte. Trotzdem ist die detaillierte Entwicklung von größeren Depozentren zum überwiegenden Teil unbekannt. Mitglieder unserer Arbeitsgruppe gelang es zum ersten Mal die Entwicklung eines sogenannten Schlammgürtels auf dem mittleren Schelf zu rekonstruieren (Lantzsch et al., 2009). Die Untersuchungen zeigen, dass solche Depozentren nicht unbedingt eine lineare Entwicklung zeigen, sondern sich initial in einem Zentrum bilden können. Dieses Zentrum kann vollständig von der Sedimentquelle abgekoppelt sein und später erfolgt dann eine Ausbreitung des Schlammgürtels um eben dieses Zentrum. Diese Dynamik könnte ein genereller Mechanismus für die Bildung solcher Depozentren sein und lenkt unsere Aufmerksam auf diese kaum erforschte Gebiet. Somit erweitern solche Untersuchungen unser Verständnis der Sedimentverteilungs- Mechanismen und deren Kontrollfaktoren.


Canyon Sedimentation am mittleren Kontinentalhang

Canyons und Klima (Südamerika)
Die architektonische Entwicklung des argentinischen Kontinentalhanges wird primär durch hangparallele Bodenwasserströmungen geprägt, die durch die globale thermohaline Zirkulation angetriebenen werden. Durch Ablagerung überwiegend feinkörniger Sedimente bilden sich großräumige Konturite (oder Driftsedimente) entlang des argentinischen Kontinetalhanges aus. Die Bodenwasserströmung aus der Antarktis, genauer des Antarktischen Zwischenwassers (AAIW), bedingt großräumige Ablagerungs- als auch Erosionformen entlang des Kontinentalhanges. Dabei findet auch eine komplexe Wechselwirkung mit dem Mar del Plata Canyon statt. Dieser Canyon verändert vermutlich das lokale Strömungsmuster der partikelbeladenen Bodenwasserströmung, so dass die mitgeführten Sedimente ausschließlich im Canyon abgelagert werden. Dies erklärt auch das Fehlen großräumiger Driftkörper nördlich des Canyons. Die Sedimentationsraten im Canyon sind mit bis zu 100 cm/kyr während des gesamten Holozäns ungewöhnlich hoch. Dieser Umstand erlaubt hochauflösende Rekonstruktionen des Klimas und der Paläozeanographie im Untersuchungsgebiet.


Canyons und Klima (NW Afrika)
Interessante Befunde ergeben sich aus der vergleichenden Betrachtung der Sedimentationsdynamik im Umfeld großer Canyons. Vergleichende Untersuchungen an Sedimentkernen aus dem Timiris Canyon im Vorfeld des hyperariden Kernbereichs der Sahara vor Mauretanien (Henrich et al. 2010) und dem Dakar Canyon am senegalesischen Kontinentalrand (Pierau et al. 2010) belegen, dass Trübeströme während der Eiszeiten besonders häufig auftraten und ihre höchsten Volumina zu Zeiten der extremen Meeresspiegeltiefstände erreichten. Im Zeitraum von 26.000 bis 19.000 Jahren haben im Timiris Canyon beispielsweise insgesamt 23 mächtige Trübeströme den Mündungsbereich in der Tiefsee erreicht und die Seitenwälle mit 90 Meter Höhe über dem Talboden des Canyons überspült. Analysen des in den Trübeströmen transportierten Materials zeigen, dass es sich um eine Mischung aus Wüstenstaub, Dünensanden und organischem Material aus den Auftriebsgebieten am Schelfrand und oberen Kontinentalhang handelt (Henrich et al. 2010). Bekannt war, dass das Klima im Umfeld der Sahara im Hochglazial wesentlich trockener war und dass der Eintrag von Staubfracht in den Ozean erheblich zugenommen hatte. Unsere Untersuchungen zeigen nunmehr, dass diese grundsätzlichen Veränderungen einen wesentlichen Kontrollfaktor für die Turbiditaktivität im Canyon darstellen. Auch während des nach-eiszeitlichen Meeresspiegelanstiegs werden in beiden untersuchten Canyons zahlreiche feinsandige Turbidite beobachtet, die eine regelmäßige Abfuhr von Material vom äußeren Schelf und obersten Kontinentalhang in die Tiefsee belegen. Mit dem Klimaumschwung zum Holozän ändern sich die Muster in der Turbiditaktivität entscheidend. Im Dakar Canyon werden infolge geringer Sedimentzufuhr keine Turbidite mehr registriert (Pierau et al. 2010), während im Timiris Canyon nach wie vor Tubidite beobachtet werden. Diese hatten jedoch signifikant geringere Volumina und liefen daher bereits im Oberlauf des Canyons aus. Bemerkenswert ist das Auftreten der Turbidite mit einer nahezu konstanten Frequenz von etwa 900 Jahren (Zühlsdorff et al. 2008). Zusätzlich belegen unsere neuen Untersuchungen für die vergangenen 5000 Jahre eine sehr enge zeitliche Übereinstimmung zwischen kurzfristig verstärkter Staubzufuhr auf den Schelf und dem regelmäßig periodischen Auftreten von Turbiditereignissen im oberen Canyon (Hanebuth and Henrich 2009). Für diese zeitliche Übereinstimmung bietet sich die folgende Erklärung an. Während circa alle 900 Jahre wiederkehrender, kurzzeitiger und nur wenige Jahrzehnte anhaltender Dürreperioden traten besonders kräftige Staubstürme auf. Mächtige Staubschichten wurden auf dem Schelf und am oberen Kontinentalhang abgesetzt und in die zahlreichen Gullies (kleine Zufuhrrinnen) im Kopfbereich des Canyons gespült. Diese wurden so sehr schnell mit hemipelagischem Schlick verfüllt, in dem sich rasch überkritische Porenwasserdrucke aufbauten, die dann wiederum die Trübeströme auslösten. Wichtigstes neues Ergebnis unserer synoptischen Studien ist ein bisher nicht erkannter klaren kausalen Zusammenhang zwischen Klimaveränderungen und Veränderungen der Sedimentdynamik im Umfeld von Canyons, der neben dem Faktor Meerespiegeländerungen die Frequenz und die Volumina von Turbiditen in submarinen Canyons bestimmt.


Massentransporte am Kontinentalhang
In gemeinsam mit Kollegen der Geophysik und Geochemie durchgeführten Expeditionen (2003, 2005) wurden die Massenverlagerungsprozesse entlang des afrikanischen Kontinentalrandes offshore von Mauretanien und Senegal untersucht, wobei ein riesiges Canyon System im heute hyperariden Umfeld der Sahara, der Timiris Canyon, neu entdeckt wurde (Krastel et al. 2004) sowie weitere Canyons vermessen und beprobt wurden. Genannt werden muss hier vor allem der Dakar Canyon, ein System, das sowohl durch Staubzufuhr als auch durch Flussfracht beeinflusst wird. Neben den Canyons sind große Rutschungen und Sedimentgleitungen von großer Bedeutung. Neue Erkenntnisse liegen hierzu für den Mauritania Slide Complex vor. Hierbei handelt es sich um eine Stapelung von mehrfach sich regressiv im Kontinentalhang Hang aufwärts rückverlagernden, großflächigen Rutschungen und Sedimentgleitungen, deren jüngste Aktivität auf 10.6 ka datiert werden konnte (Henrich et al. 2008). In Zusammenarbeit mit Kollegen der geotechnischen Arbeitsgruppe des MARUM konnte der genaue Ablauf der jüngsten Entwicklungsgeschichte des Mauritania Slide Complexes wesentlich detaillierter herausgearbeitet werden. Insbesondere wurde anhand von Messungen der Dichte und Scherfestigkeiten der obersten Debritlagen ein mehrphasiger Ablauf und unterschiedliche Herkunftsgebiete der Schlammstromereignisse nachgewiesen (Förster et al. 2010).


Marum

Intercoast

IODP

MarTech

AWI

British Antarctic

British Antarctic

British Antarctic

British Antarctic

British Antarctic

Stud.IP

Universität Bremen Fachgebiet Sedimentologie – Paläozeanographie
Fachbereich Geowissenschaften | FB5