{"id":2873,"date":"2021-04-13T10:50:39","date_gmt":"2021-04-13T08:50:39","guid":{"rendered":"https:\/\/arctrain.de\/?p=2873"},"modified":"2021-04-20T11:30:19","modified_gmt":"2021-04-20T09:30:19","slug":"pies-not-just-a-piece-of-cake","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/arctrain.de\/de\/pies-not-just-a-piece-of-cake\/","title":{"rendered":"PIES – Str\u00f6mungen vermessen mit Echoloten am Meeresboden"},"content":{"rendered":"\n

Dies ist Post 2\/3 in einer Reihe \u00fcber unsere Erfahrungen und Aufgaben als ArcTrain-Doktoranden w\u00e4hrend der Forschungsfahrt M164 (GPF 19-1-105) im Sommer 2020 im subpolaren Nordatlantik. Hier geht es zu Teil 1\/3<\/a> und hier zu Teil 3\/3.<\/a><\/p>\n\n\n\n

Eine Forschungsfahrt auf See bietet die gro\u00dfartige M\u00f6glichkeit, dem gewohnten B\u00fcroalltag zu entfliehen und Wissenschaft im Feld zu erleben. Mein Promotionsprojekt behandelt die j\u00fcngste Entwicklung verschiedener Komponenten des Stromsystems im Nordatlantik, die wichtigste Komponente dieses Systems ist die Verl\u00e4ngerung des Golfstroms, der Nordatlantikstrom. Im Sommer 2020 hatte ich die Gelegenheit, mit dem Forschungsschiff Meteor in den Nordatlantik zu fahren und mein Forschungsgebiet in der realen Welt zu erleben.<\/p>\n\n\n\n

Jede Person an Bord eines Forschungsschiffs ist f\u00fcr eine bestimmte Aufgabe verantwortlich. F\u00fcr diese Forschungsfahrt k\u00fcmmerte ich mich um die sogenannten PIES, \u00e4hnlich wie Hannah, eine ArcTrain-Kollegin, vor einigen Jahren<\/a>. PIES ist eine Abk\u00fcrzung f\u00fcr Pressure Inverted Echo Sounder (invertiertes Echolot mit Drucksensor). Es handelt sich dabei um versiegelte Glaskugeln von der Gr\u00f6\u00dfe eines Gymnastikballs mit diversen Messger\u00e4ten im Inneren. Sie werden auf dem Meeresboden eingesetzt und messen bis zu mehreren Jahren autonom die Laufzeiten eines Schallimpulses vom Meeresboden zur Meeresoberfl\u00e4che und zur\u00fcck. Aus diesen Messungen k\u00f6nnen Ozeanograph*innen die hydrographischen Eigenschaften und Geschwindigkeiten im Ozean ableiten. Meine Aufgabe umfasste das Auslesen und Bergen dieser Ger\u00e4te. Da PIES mithilfe akustischer Signale messen und kommunizieren, sa\u00df ich daf\u00fcr h\u00e4ufig mit Kopfh\u00f6rern im Labor und achtete genau auf die Ger\u00e4usche dieser Ger\u00e4te im Wasser. Denn wenn wir die richtige Sprache verwenden, k\u00f6nnen wir tats\u00e4chlich mit ihnen sprechen.<\/p>\n\n\n\n

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Es ist immer eine Erleichterung, das Ger\u00e4t wieder sicher an Bord zu wissen (Foto: D. Kieke).<\/figcaption><\/figure><\/div>\n\n\n\n
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Nach der Bergung wurde das Innere jedes PIES inspiziert. Unter der Plastikhaube bestehen sie im Grunde aus einer versiegelten Glaskugel mit einer Menge Elektronik (Foto: Y. Hinse).<\/figcaption><\/figure><\/div>\n\n\n\n

Die systematische Untersuchung von Schall und seinen Eigenschaften im Ozean und die Verwendung f\u00fcr Seefahrt und Ozeanographie begann vor etwa einem Jahrhundert. Urspr\u00fcnglich wurde Schall verwendet, um Absch\u00e4tzungen der Tiefe des Ozeans zu verbessern. In den fr\u00fchen Tagen der Seefahrt wurde ein Gewicht an einer Schnur verwendet, um die Wassertiefe zu messen. Dies bedeutete, dass das Schiff sehr langsam fahren musste, um die Tiefe zu messen und dass diese Messungen viel Zeit und M\u00fche erforderten. Dies \u00e4nderte sich drastisch, als das Echolot erfunden wurde. Eine Schallquelle wurde zusammen mit einem Empf\u00e4nger unter dem Schiff angebracht, um die Laufzeit zu bestimmen, bis das vom Schiff zum Meeresboden geschickte Schallsignal das Schiff wieder erreichte. Wenn die Schallgeschwindigkeit im Meerwasser bekannt ist, l\u00e4sst sich so die Wassertiefe berechnen. Ein solches Echolot kann die Wassertiefe in nur wenigen Sekunden mit gro\u00dfer Genauigkeit bestimmen und wird daher in der Ozeanographie und Navigation noch immer verwendet. Jedoch bereitete das Echolot zu Beginn vielen Seeleuten Kopfzerbrechen, da die Messungen nicht vollst\u00e4ndig mit der Messung mit dem klassischen Handlot \u00fcbereinstimmten. Obwohl dies auch andere Ursachen haben kann (z.B. starke Str\u00f6mung, die das Seil des Lots verschiebt), wurde im fr\u00fchen 20. Jahrhundert festgestellt, dass die Laufzeit des Schallsignals nicht nur mit der Tiefe, sondern auch mit der Temperatur und dem Salzgehalt variierte. Tabellen zum Nachschlagen der Schallgeschwindigkeit f\u00fcr diverse Werte von Temperatur und Salzgehalt wurden ver\u00f6ffentlicht, um diese Schwankungen zu korrigieren. Diese Abh\u00e4ngigkeit sollte sich f\u00fcr das Messprinzip der PIES als wertvoll erweisen, als die Beschreibung der Ver\u00e4nderungen des Ozeans mehr und mehr eine Beschreibung des Zustands des Ozeans erg\u00e4nzte.<\/p>\n\n\n\n

Im westlichen Nordatlantik setzt sich der ehemalige Golfstrom als Nordatlantikstrom nach Norden fort. Da es sich immer noch um eine warme Str\u00f6mung handelt, transportiert sie viel W\u00e4rme nach Nordosten und tr\u00e4gt so zur Aufrechterhaltung vergleichsweise milder Temperaturen in Europa bei. \u00c4nderungen in diesem Stromsystem haben direkte Auswirkungen auf das europ\u00e4ische Wetter und Klima. Daher sind Ozeanograph*innen besonders daran interessiert, die \u00c4nderungen der Volumentransporte zu messen, d.h. wie viel Wasser \u00fcber einen festgelegten Zeitraum von den Str\u00f6mungen transportiert wird. Volumentransporte werden berechnet, indem die Str\u00f6mungsgeschwindigkeit \u00fcber eine definierte vertikale Fl\u00e4che gemessen wird. Die Multiplikation von Fl\u00e4che und Geschwindigkeit ergibt den Volumentransport. Die Messungen zur Bestimmung dieser Transporte werden normalerweise durch wiederholte Forschungsfahrten und speziell entwickelte Str\u00f6mungsmesser – Aufzeichnungsger\u00e4te, die an einem Seil montiert sind, sogenannte Tiefsee-Verankerungen – geliefert, die mehrere Monate oder sogar Jahre im Meer installiert sind. Entweder aus direkten Geschwindigkeitsmessungen oder indirekt aus der vertikalen Verteilung von Temperatur und Salzgehalt und der daraus resultierenden Dichte an zwei verschiedenen Orten ist es m\u00f6glich, den ozeanischen Volumentransport zwischen ihnen abzusch\u00e4tzen.<\/p>\n\n\n\n

Mit Schiffen k\u00f6nnen Ozeanograph*innen jedoch nicht jede Region mit der gew\u00fcnschten zeitlichen Aufl\u00f6sung abdecken, und es ist nicht immer m\u00f6glich, im ausreichenden Ma\u00df Instrumente in verschiedenen Tiefen in den Ozean zu bringen. Daher m\u00fcssen Ozeanograph*innen h\u00e4ufig mit gro\u00dfen r\u00e4umlichen und zeitlichen Datenl\u00fccken leben. Auch der junge Forscher und MIT-Doktorand Thomas Rossby war in den 1960er Jahren mit diesen Problemen konfrontiert. Er erinnerte sich an die Beziehung zwischen der Schallgeschwindigkeit im Meerwasser und seiner Temperatur und seinem Salzgehalt und hatte die Idee, dies in umgekehrter Weise zu nutzen. Wenn das Verh\u00e4ltnis der Schallgeschwindigkeit im Meerwasser zu seiner Temperatur und seinem Salzgehalt bekannt ist, l\u00e4sst sich eine Technik entwickeln, mit der die Temperatur und der Salzgehalt aus der bekannten Schallgeschwindigkeit abgesch\u00e4tzt werden k\u00f6nnen. Er entwickelte ein erschwingliches Ger\u00e4t, das die Laufzeit eines Schallimpulses vom Meeresboden zur Meeresoberfl\u00e4che und zur\u00fcck misst. Dies ist das Grundprinzip der Inverted Echo Sounders (IES). Sie arbeiten wie Echolote, sind jedoch umgekehrt, stehen auf einem Metallrahmen, der als Bodengewicht dient, auf dem Meeresboden und zeigen zur Oberfl\u00e4che. Wenn sie mit einem zus\u00e4tzlichen Drucksensor ausgestattet sind, werden sie als Pressure Inverted Echo Sounders (PIES) bezeichnet. In vorgegebenen Intervallen senden sie Schallimpulse aus und messen die Zeit, die das Signal ben\u00f6tigt, um zur Meeresoberfl\u00e4che zu gelangen, dort reflektiert zu werden und zum Instrument zur\u00fcckzukehren. Mit Profilen von Temperatur und Salzgehalt, gemessen von Schiffen an denselben oder nahe gelegenen Orten als Referenzmessungen (und der daraus resultierenden Schallgeschwindigkeit), kann das ungef\u00e4hre Profil von Temperatur und Salzgehalt aus dieser Laufzeit abgeleitet werden. Dies erfolgt durch Vergleichen der vom PIES gemessenen Laufzeit mit der aus den Referenzprofilen berechneten Laufzeit. Im Ozean bestimmen Temperatur und Salzgehalt die Dichte des Meerwassers, und Meeresstr\u00f6mungen werden durch horizontale Dichteunterschiede hervorgerufen, genau wie Winde in der Atmosph\u00e4re Hoch- oder Tiefdrucksysteme umstr\u00f6men. Mithilfe der abgeleiteten Dichte und der Druckmessungen ist es m\u00f6glich, den Volumentransport zwischen zwei PIES zu berechnen. In unserem Fall kann mit acht PIES im Wasser der Volumentransport \u00fcber mindestens sieben Segmente im Nordatlantik berechnet und zu bestehenden Transportzeitreihen von zum Teil mehr als einem Jahrzehnt hinzugef\u00fcgt werden. Diese Zeitreihen liefern wichtige Informationen \u00fcber den Zustand der Zirkulation im Nordatlantik.<\/p>\n\n\n\n

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Der Computer kann die Sprache der PIES in Werte der gemessenen Messgr\u00f6\u00dfen umrechnen (Foto: D. Kieke).<\/figcaption><\/figure><\/div>\n\n\n\n

Aber warum sa\u00df ich mit Kopfh\u00f6rern, den Ger\u00e4uschen der PIES lauschend, im Labor, wenn wir sie doch bergen sollten? Die PIES weisen eine Besonderheit auf: Wir k\u00f6nnen tats\u00e4chlich mit ihnen \u201esprechen\u201c. Mithilfe eines Hydrophons – im Grunde ein wasserdichtes Mikrofon und Lautsprecher – k\u00f6nnen wir akustische Befehle an das Ger\u00e4t senden und die Antworten h\u00f6ren. Das PIES versteht verschiedene Befehle, einschlie\u00dflich CLEAR (\u201eUnterbrich, was du tust, und sag mir, ob du mich h\u00f6ren kannst\u201c), TELEMETRY (\u201eSag mir, was du seit dem letzten Auslesen der Daten aufgezeichnet hast\u201c) und RELEASE (\u201eL\u00f6se dich von deinem Bodengewicht und komme an die Oberfl\u00e4che\u201c). Der TELEMETRY-Befehl wird verwendet, um eine komprimierte Form der aufgezeichneten Daten \u00fcber akustische Signale, \u00e4hnlich dem Morsecode, zu empfangen, bevor das Instrument geborgen wird. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass w\u00e4hrend der Bergung etwas schiefgeht und das Instrument leider nicht geborgen werden kann, sind zumindest die Daten gesichert. Wenn das PIES den TELEMETRY-Befehl empf\u00e4ngt, beginnt es mit dem Senden von akustischen Signalen auf unterschiedlichen Frequenzen und in verschiedenen Intervallen, die von einem Computer in die vom Instrument gemessenen Parameter \u00fcbersetzt werden k\u00f6nnen. Wenn die Daten\u00fcbertragung \u00fcber akustische Telemetrie beendet ist, kann das PIES geborgen werden. Die Bergung erfolgt meist nachts, da die PIES mit einem hellen Blinklicht ausgestattet sind, das nachts am besten sichtbar ist.<\/p>\n\n\n\n

Es ist kurz vor Mitternacht und ich sitze mit Kopfh\u00f6rern im Labor. Die akustische Telemetrie unseres letzten PIES f\u00fcr diese Forschungsfahrt wurde erfolgreich abgeschlossen und die Daten wurden sicher auf einer Festplatte gespeichert. Ich habe den RELEASE-Befehl an das PIES gesendet, und das Ger\u00e4t hat best\u00e4tigt, dass es sich von seinem Bodengewicht gel\u00f6st hat. Da es ohne das Gewicht jetzt Auftrieb hat, steigt es unter st\u00e4ndigem Pingen an die Oberfl\u00e4che. Von der Laufzeit dieser Pings bis zum Hydrophon des Schiffes kann ich die Tiefe ableiten, bis zu der das Ger\u00e4t bereits aufgestiegen ist. Ich kann sehen, dass das Ger\u00e4t kurz vor dem Auftauchen ist. Daher befinden sich fast alle Fahrtteilnehmer*innen, die gerade wach sind, auf der Br\u00fccke und halten in der Dunkelheit der Nacht nach einem blinkenden Licht Ausschau.<\/p>\n\n\n\n

FORTSETZUNG FOLGT<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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